Moskito auf DNA-Helix, Genome Editing-Technologie (CRISPR-Cas9) zur Kontrolle von Mückenpopulationen (Malaria)Chansom Pantip@123rf.com

Gene Drives – Technologien zur Verbreitung genetischer Veränderungen in Populationen

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Thematischer Hintergrund

Als Gene Drives werden genetische Elemente bzw. gentechnische Konstrukte bezeichnet, deren inhärente Eigenschaften dafür sorgen, dass sie durch Vererbung überproportional häufig (d.h. häufiger als 50 % für eine bestimmte Genvariante väterlichen oder mütterlichen Ursprungs) weitergegeben werden. Hierdurch können sich die von solchen genetischen Elementen bestimmten Merkmale bevorzugt und rasch in Populationen verbreiten (potenziell bis hin zur genetischen Veränderung gesamter Wildpopulationen oder Arten). Gene Drives sind als natürliches Phänomen schon lange bekannt, aber erst seit der stürmischen Entwicklung des Genome Editings (mittels der »Gen-Schere« CRISPR/Cas) ab 2012 und den daraus resultierenden Möglichkeiten zur Herstellung synthetischer Gene-Drive-Systeme in den Fokus intensiverer wissenschaftlicher Aktivitäten gerückt. Seit 2014 sind sie auch Gegenstand bioethischer, forschungspolitischer und regulatorischer Analysen.

Die Entwicklung von Gene Drives bzw. Gene-Drive-Technologien zielt darauf ab, eine gewünschte, genetisch basierte Eigenschaft in einer Population von Lebewesen zu verbreiten. Zu häufig genannten Forschungs- und Anwendungszielen gehören die Dezimierung (bis hin zur völligen Auslöschung) von invasiven Arten (zum Schutz natürlicher Ökosysteme in betroffenen Gebieten) oder von Insektenpopulationen, die entweder landwirtschaftliche Nutzpflanzen schädigen (wie z. B. die Oliven- oder Mittelmeerfruchtfliege) oder aber humanpathogene Erreger übertragen (wie z. B. die Anopheles-Mücke für Malaria oder die Aedes-Mücke für Denguefieber). Alternativ könnten krankheitsübertragende Insekten(populationen) über Gene Drives auch so verändert werden, dass Erreger (z. B. für Malaria) nicht mehr (effizient) übertragen werden können.

Gegenüber bisherigen Anwendungen bzw. Einsatzszenarien gentechnologisch veränderter Organismen (GVO) in der Landwirtschaft oder zur Bekämpfung der Ausbreitung von Krankheiten stellt die Wirkungsweise von Gene Drives eine Art Paradigmenwechsel dar: Bei bisherigen Ansätzen soll die genetische Modifikation auf die ausgebrachten GVO begrenzt (z. B. bei gentechnisch veränderten Pflanzen im landwirtschaftlichen Anbausystem) oder die Vermehrung und Verbreitung der freigesetzten GVO über selbstlimitierende Systeme (bei sog. sterilen Insektentechnik-Ansätzen zur Reduktion von Insektenpopulationen) verhindert werden. Im Gegensatz dazu wird durch Gene Drives die Verbreitung der GVO bzw. der genetischen Veränderungen in der noch nicht veränderten Population derselben Art ausdrücklich angestrebt. Dies hat fundamentale Auswirkungen auf die Risikoabschätzung und mögliche Risikomanagementmaßnahmen von Gene-Drive-Anwendungen, aber auch bereits auf die Fragen einer Nutzen-Risiko-Abwägung als Basis einer möglichen Zulassung von experimentellen Freisetzungen.

Ziel und Vorgehensweise

Das Projekt des TAB soll den aktuellen Stand der Gene-Drive-Technologien und ihrer Anwendungsmöglichkeiten erfassen, wesentliche Risikodimensionen untersuchen und Handlungsoptionen insbesondere zur Regulierung und Forschungsausrichtung herausarbeiten. Fragestellungen der Untersuchung lauten:

  • In welchen Bereichen wird eine Anwendung von Gene Drives diskutiert? Inwieweit sind Gene Drives zur Problemlösung geeignet, sind effektive »lokal wirkende« Gene-Drive-Systeme möglich und welche Alternativen existieren?
  • Was sind mögliche ökologische Folgen? Welche biologischen Sicherheitsmaßnahmen werden diskutiert? Welche zentralen Aspekte muss eine Risikobewertung umfassen? Wie kann sie ins Verhältnis zu einer Nutzenbewertung gesetzt werden?
  • Welche ethischen Fragen und Dimensionen stellen sich bei so weitreichenden Eingriffen in Wildpopulationen? Was sind Kriterien für eine ethisch und gesellschaftlich fundierte Entscheidungsbasis zu der Frage, ob und wenn ja, wo Gene Drives eingesetzt werden soll?
  • Welche Missbrauchsgefahren für militärische oder terroristische Zwecke bestehen (etwa im Zusammenhang mit Biowaffen)? Welcher Regulierungsbedarf auf nationaler und internationaler Ebene ergibt sich daraus?
  • Welche Ansätze zur Regulierung und Schadensvermeidung werden diskutiert? Welche Strukturen, Institutionen und internationale Regime spielen dabei eine Rolle bzw. sind für eine Regulierung geeignet? Was sind die dringendsten regulativen Schritte?

Die Neuartigkeit und Komplexität der Gene-Drive-Technologien und ihrer ethischen, regulatorischen und gesellschaftlichen Implikationen erfordern eine besonders gründliche Analyse. Ausgangspunkt des TA-Projekts soll eine Bestandsaufnahme der wissenschaftlich-technischen Entwicklungen und Möglichkeiten, der vorgesehenen Anwendungen und alternativer Problemlösungsstrategien sein. Anhand ausgewählter, repräsentativer Beispiele aus den verschiedenen möglichen Anwendungsfeldern soll dann eine vergleichende ökologische und ethische Folgenanalyse durchgeführt werden. Weiterhin soll die internationale Regulierungsdebatte detailliert nachvollzogen und hinsichtlich ihrer möglichen Konsequenzen für die deutsche Politik analysiert werden.

Stand der Projektbearbeitung

Bis Ende 2022 wurden Gutachten zu folgenden Themen vergeben und ausgewertet:

  • Mögliche Anwendungen von Gene Drives im Vergleich mit alternativen Herangehensweisen in den Bereichen Gesundheit, Landwirtschaft sowie Umwelt- und Naturschutz
  • Analyse des öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurses zu Gene Drives

Nach weiteren Recherchen befindet sich das Projekt in der Phase der Berichtserstellung. Der Abschlussbericht soll der zuständigen TA-Berichterstattergruppe der Fraktionen bis Ende 2023 zur Abnahme vorgelegt werden.

Veranstaltung

Hintergrundbild: Weltkarte Malariarisiko S. Jähnichen/Wiki Commons
TA im Dialog: Impfungen und Gene Drives gegen Malaria

25.April 2022 
17.00 Uhr - 18.30 Uhr

Rückblick