Bild mit Turbine links im Vordergrund und einem Verkehrsflugzeug darüber vor blauem Himmel mit weißen WolkenPeterschreiber.media/Adobe Stock

Innovative Antriebe und Kraftstoffe für einen klimaverträglicheren Luftverkehr

  • Projektteam:

    Tobias Hungerland (Projektleitung), Sebastian Abel, Dr. Julia Czerniak-Wilmes, Lukas Nögel

  • Themenfeld:

    Energie und Umwelt

  • Themeninitiative:

    Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

  • Analyseansatz:

    TA-Kurzstudie

  • Starttermin:

    2022 

  • Endtermin:

    2023

Die Kurzstudie wurde vom Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung am 20.03.2024 abgenommen und am 8. Mai 2024 veröffentlicht.

Wie der Luftverkehr klimafreundlicher werden kann

Zusammenfassung der Kurzstudie mit zentralen Ergebnissen
Bild von Turbine groß im Vordergrund links und Verkehrsflugzeug darüber vor blauem Himmel mit weißen WolkenPeterschreiber.media/Adobe Stock

Der Anteil des Luftverkehrs an den globalen Treibhausgasemissionen ist mit ca. 3,5 bis 5 % im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern gering, dennoch stellt die Erreichung der Klimaneutralität bis 2050 angesichts des weltweit wachsenden Luftverkehrs eine große Herausforderung dar. Vor diesem Hintergrund gibt die Kurzstudie „Innovative Antriebe und Kraftstoffe für einen klimaverträglicheren Luftverkehr“ einen Überblick über wesentliche technische Innovationsbereiche, die zu einer klimaverträglicheren Luftfahrt beitragen können. Im Fokus stehen die beiden Innovationsbereiche Kraftstoffe und Antriebskonzepte, die auf ihre Potenziale und Risiken hin analysiert werden. An geeigneten Stellen der Analyse werden auch weitere Ansätze, wie die Kompensation von Emissionen, die Steigerung der Effizienz sowie die Vermeidung von Flügen, auf ihre Potenziale für eine klimaneutrale Gestaltung der Luftfahrt betrachtet. Eine klimaverträglichere Luftfahrt ist – anders als eine klimaneutrale Luftfahrt – nicht auf einen absoluten Nullwert von CO2- und Nicht-CO2-Emissionen ausgerichtet.

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Vorgehen

Zunächst werden Begriffsverständnis und Analyserahmen sowie der Fokus der Technikfolgenabschätzung festgelegt. Das einleitende Kapitel umfasst auch eine Darstellung und einen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung der Klimawirkung der weltweiten Luftfahrt. Als Hintergrund, vor dem die beiden genannten Hauptinnovationsbereiche sich künftig weiterentwickeln und gestaltet werden können, wird eine kurze Darstellung des politischen Rahmens, also der relevanten Zielsetzungen, Strategien, Maßnahmen sowie Regularien vorgenommen.

Maßgeblich für die Entwicklung von Innovationen ist das Innovationssystem der deutschen Luftfahrtindustrie mit seinen regionalen Schwerpunkten sowie die unterstützende Technologieförderung der Bundesregierung. Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit neuen Entwicklungen in den beiden zentralen Innovationsbereichen Kraftstoffe und Antriebskonzepte ist ein Technologiemapping, das auf Grundlage einer Publikations- und Förderdatenanalyse die Schwerpunkte in den Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in Deutschland und Europa ermittelt und deren wesentliche Merkmale skizziert. Da Kraftstoffe und Antriebskonzepte nicht allein zum Erreichen von Klimaneutralität in der Luftfahrt führen, werden weitere Innovationsbereiche der Luftfahrt behandelt.

Ein zentrales Ergebnis der Studie ist die Erkenntnis, dass ein Technologiemix notwendig erscheint, um die unterschiedlichen Potenziale der Innovationsbereiche erschließen zu können. Auf dieser Einsicht aufbauend, werden gesellschaftliche, wirtschaftliche, ökologische und politische Treiber und Barrieren im Umfeld der Luftfahrt erläutert. Anschließend erfolgt eine Analyse der Stärken und Schwächen des deutschen Luftfahrtinnovationssystems.

Abschließend werden die wesentlichen Handlungsfelder und -optionen aufgeführt, die sich politischen Entscheider/innen bieten, um durch Förderung der Treiber, Unterstützung der Stärken sowie Abbau von Barrieren und Ausgleich der Schwächen zur Gestaltung einer klimaneutralen Luftfahrt beizutragen.

Aktuelle und künftige Entwicklungen und Klimawirkung des Luftverkehrs

Weltweit steigt die Zahl der Flugreisen an. Angesichts des weltweit wachsenden Flugverkehrs im Passagier- und Frachtbereich stellt das Erreichen von Klimaneutralität eine große Herausforderung dar. Hinzu kommen regional unterschiedliche Entwicklungen, sodass die größte Zunahme an Flügen in Weltregionen verortet ist, die weniger strenge Klimaziele verfolgen.

Die internationale Luftfahrt hat Schätzungen zufolge einen Anteil von ca. 3,5 bis 5 % an der anthropogenen Erwärmung. In Europa verursacht die Luftfahrt ca. 4 % der gesamten jährlichen Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen), in Deutschland werden ca. 3,4 % der gesamtdeutschen CO2-Emissionen durch den internationalen Luftverkehr von und nach Deutschland und 0,33 % durch den inländischen Luftverkehr verursacht. Circa 1,5 % der gesamten seit 1940 durch Menschen verursachten CO2-Emissionen sind auf die Luftfahrt zurückzuführen. Allerdings steht CO2 nur für rund ein Drittel der Klimawirkung des Luftverkehrs. Die Nicht-CO2-Effekte – Rußpartikel, Wasserdampf, Schwefel- und Stickoxide (NOX), die zur Bildung von Kondensstreifen und Zirruswolken führen – spielen sogar eine weitaus bedeutendere Rolle, sind allerdings auch wissenschaftlich noch nicht in Gänze verstanden. Die Effekte von Kondensstreifen und Zirruswolken sind neben denen von CO2 als am stärksten einzuschätzen. Die Klimawirkung variiert zudem in Abhängigkeit von den zurückgelegten Strecken, den Reiseflughöhen sowie den eingesetzten Flugzeugen.

Historisch betrachtet sind der Passagier- und Frachtluftverkehr kontinuierlich angestiegen. Dieser Trend wird sich höchstwahrscheinlich auch in den nächsten rund 25 Jahren fortsetzen. Ohne entsprechende Maßnahmen steigen damit einhergehend auch der Kerosinverbrauch und die schädliche Klimawirkung weiter an. 2050 könnten bereits 60 % mehr CO2-Emissionen entstehen als noch 2019.

Politischer Rahmen

Der politisch-regulatorische Rahmen für die Reduzierung der Klimawirkung des Flugverkehrs setzt sich zusammen aus verschiedenen nationalen und europäischen Regelungen und Strategien sowie aus internationalen Verpflichtungen im Kontext der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (International Civil Aviation Organization – ICAO) und der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (United Nations Framework Convention on Climate Change – UNFCCC). Insbesondere gegenwärtige Aktivitäten auf europäischer Ebene, etwa die Verschärfung des Emissionshandels oder neue Anreize zur Nutzung nachhaltiger Kraftstoffe, sind wichtige Treiber zur Weiterentwicklung dieses Rahmens. Dabei herrscht eine hohe Dynamik in der Diskussion, welche Politikinstrumente und -ansätze am effektivsten zu einem möglichst klimaneutralen Flugverkehr führen können. Hierbei spielt eine wichtige Rolle, ob man primär den deutschen, den europäischen oder den internationalen Luftverkehr betrachtet. In diesem Zusammenhang wurde in den vergangenen Jahren eine Vielzahl an forschungs- und wirtschaftspolitischen Strategie- und Positionspapieren, Weißbüchern sowie Technologieroadmaps zum Thema klimaneutrales Fliegen bzw. klimaneutraler Luftverkehr von politischer und wirtschaftlicher Seite sowie durch Thinktanks und Forschungseinrichtungen publiziert. Darin werden einerseits mögliche technologische Entwicklungspfade und andererseits verschiedene politische Strategien zur Erreichung eines möglichst klimaneutralen Luftverkehrs dargestellt.

Optionen zur Gestaltung einer klimaneutralen Luftfahrt.Das dargestellte Flussdiagramm zeigt mögliche Vorgehensweisen anhand politischer Ansatzpunkte und den damit einhergehenden Maßnahmen für eine klimaneutrale Luftfahrt

Innovationssystem der deutschen Luftfahrt

Das Innovationssystem der Luftfahrt in Deutschland besteht aus einer Vielzahl national und international vernetzter Akteure. Ein wesentlicher Bestandteil für die Innovationsfähigkeit ist die Technologieförderung auf Bundes- und Landesebene. Im Zeitablauf hat sich ein vielfältiges Innovationsökosystem entwickelt, das alle Wertschöpfungsstufen und Technologiebereiche der Luftfahrt abdeckt. Eine besondere Rolle spielen dabei Clusterinitiativen, in denen Ausbildung/Qualifizierung, FuE-Aktivitäten sowie der Transfer von der Theorie in die Praxis vorangetrieben werden.

Zentrales Instrument zur Förderung von Forschungs- und Technologievorhaben der zivilen Luftfahrt am Standort Deutschland ist das „Luftfahrtforschungsprogramm“ (LuFo) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Dessen Ziel ist, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Luftfahrtindustrie durch Technologieförderung zu stärken. Dem Thema Nachhaltigkeit und dem Einfluss auf den Klimaschutz wird bei der Auswahl der geförderten Projekte großes Gewicht beigemessen, und 2020 wurden erstmals konkrete Zielwerte des Programms für 2035 festgeschrieben. Die Analyse der Forschungsförderung von Technologievorhaben der zivilen Luftfahrt allein des BMWK zeigt, dass sich das Niveau der Förderung von 2016 bis 2020 relativ konstant bei ca. 150 Mio. Euro befand und seit 2021 ein deutlicher Anstieg auf ca. 200 Mio. Euro zu verzeichnen ist. Zudem spielen die Bundesländer eine wichtige Rolle bei der Technologieförderung der Luftfahrt in Deutschland, da sie die regionale Wirtschafts- und Innovationspolitik gestalten und dadurch die Standortbedingungen für die Luftfahrtindustrie beeinflussen.

In den Regionen mit vielen Beschäftigen in der Luftfahrt in Deutschland gibt es mehrere relevante Clusterinitiativen, die regionale Akteure aus Industrie, Wissenschaft und Politik zusammenbringen und kooperative und technologieorientierte Projekte initiieren. Somit spielen Cluster eine wichtige Rolle dabei, insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen zu unterstützen, innovativ zu sein und neue technologische Entwicklungen im Bereich klimaverträglicheres Fliegen in neue Produkte und Dienstleistungen umzusetzen.

Abb. Clusterinitiativen in der Luftfahrt in Deutschland: Dargestellt ist eine Karte von Deutschland. Auf der Karte sind alle in der Luftfahrt spezialisierten Clusterinitiativen Deutschlands über ihrem jeweiligen Wirkungsbereich auf Bundesland-Ebene gezeigt. Um die Karte sind weitere Informationen über die Clusterinitiativen gegeben, wie die Anzahl der Fachkräfte und Mitglieder der Clusterinitiative und eine Auswahl an mitwirkenden Unternehmen und Institutionen. Dargestellt ist eine Karte von Deutschland. Auf der Karte sind alle in der Luftfahrt spezialisierten Clusterinitiativen Deutschlands über ihrem jeweiligen Wirkungsbereich auf Bundesland-Ebene gezeigt. Um die Karte sind weitere Informationen über die Clusterinitiativen gegeben, wie die Anzahl der Fachkräfte und Mitglieder der Clusterinitiative und eine Auswahl an mitwirkenden Unternehmen und Institutionen.

Innovationsbereiche

Die wesentlichen Innovationsbereiche sind bei innovativen Kraftstoffen und Antriebskonzepten verortet. Dies wird vor allem dann deutlich, wenn die international verfügbaren wissenschaftlichen Publikationen sowie die auf europäischer Ebene geförderten Forschungsprojekte analysiert werden. Maßgeblich für Innovationen für eine klimaverträglichere Luftfahrt sind elektrische Antriebe, nachhaltige Kraftstoffe aus Abfall bzw. Biomasse, grüner Wasserstoff (H2), die Optimierung von Kraftstoffen, ein nachhaltiges Flugzeugdesign sowie die Emissionsreduktion durch Effizienzsteigerungen.

Die unterschiedlichen Innovationsbereiche sind durch verschiedene technologische Ansätze charakterisiert, wobei festzuhalten ist, dass keine einzelne Technologie allein ausschlaggebend für eine klimaneutrale Luftfahrt sein kann. Daher spielen auch über Antriebskonzepte und Kraftstoffe hinausgehende Innovationsbereiche eine wichtige Rolle.

Nachhaltige Flugkraftstoffe (Sustainable Aviation Fuels – SAF) sind nicht auf Erdöl basierende Kraftstoffe, die als Kerosinalternativen entwickelt werden, um die CO2-Emissionen aus dem Flugverkehr zu reduzieren und die wirtschaftliche, soziale und ökologische Nachhaltigkeit zu stärken. SAF können aus vielen Ressourcen gewonnen werden, deren chemische Bestandteile in die reinen Kohlenwasserstoffe umgewandelt werden können. Als Drop-in-Kraftstoffe können SAF mit bestehenden Kraftstoffen gemischt werden oder diese ersetzen, wobei keine oder nur kleine Änderungen an den Flugzeug- oder Motorkraftstoffsystemen, der Verteilungsinfrastruktur oder den Lagereinrichtungen erforderlich werden. Sie können in Biokraftstoffe und Elektrotreibstoffe (E-Fuels) unterschieden werden.

Ein Vorteil von Biokraftstoffen besteht darin, dass sich bei ihrer Verwendung keine Einschränkung der möglichen Reichweite ergibt, was sie insbesondere für Langstreckenflüge interessant macht, und dass sie der Luftfahrtindustrie die Möglichkeit bieten, ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren. Allerdings ist der Anteil an Biokraftstoffen bislang sehr gering, sodass geeignete Anreize und langfristige politische Maßnahmen notwendig sind, um eine Verwendung von SAF zu fördern.

E-Fuels ähneln in ihrer chemischen Zusammensetzung fossilen Kraftstoffen wie Kerosin. Sie werden durch Elektrolyse von Wasser (H2O) in Wasserstoff und die anschließende Umwandlung von Wasserstoff mit CO2 in synthetische Kraftstoffe hergestellt (Power-to-Liquid-Verfahren – PtL). Im Gegensatz zum auch dauerhaft nur als begrenzt verfügbar angesehenen Mengenpotenzial nachhaltiger Biokraftstoffe für den Luftverkehr wird das Mengenpotenzial von PtL-Kraftstoffen langfristig als ausreichend beurteilt. Sowohl für die Deckung des Strombedarfs von E-Fuels als auch von Elektroflugzeugen wäre ein massiver, zusätzlicher Ausbau der erneuerbaren Energien notwendig, um diesen nachhaltig decken zu können.

Darüber hinaus wird derzeit Wasserstoff sowohl in gasförmiger als auch in kryogener (flüssiger) Form als alternative Option für den Einsatz in kommerziellen Flügen erforscht. Da dieser Wasserstoff durch Wasserspaltung erzeugt wird, hängen die meisten der damit verbundenen Umweltauswirkungen mit der Art der verwendeten Elektrizität zusammen.

Neben den Bestrebungen, klimafreundlichere Kraftstoffe zu entwickeln, gewinnen auch die Anstrengungen zur Entwicklung innovativer Antriebskonzepte weiter an Dynamik. Immer mehr Prototypen und Demonstrationsprojekte werden entwickelt und erprobt, um die Praktikabilität, Effizienz und Sicherheit dieser Technologien zu demonstrieren. Bei elektrischen (Propeller-)Triebwerken werden Elektromotoren verwendet, die von Batterien angetrieben werden. Im Gegensatz zu herkömmlichen Düsenantrieben erzeugen sie keine direkten Emissionen. Bisher wurden nur wenige Konzepte für die kommerzielle Luftfahrt vorgestellt, die meisten davon mit geringer Nutzlast und sehr begrenzter Reichweite.

Wasserstoffbrennstoffzellen wandeln H2 und Sauerstoff (O2) in H2O um, wobei gleichzeitig elektrische Energie erzeugt wird. Die Wasserstoffbrennstoffzelle kann entweder als alleiniger Antrieb oder in Kombination mit anderen Antriebsquellen wie Elektromotoren eingesetzt werden. Bei Hybridsystemen werden herkömmliche Düsentriebwerke mit Elektromotoren kombiniert.

Hybride Antriebskonzepte gelten als Kompromisslösung, um einige der offenen Probleme von vollelektrischen Systemen zu überwinden. Sie könnten gewissermaßen eine Brücke zwischen herkömmlichen, fossilen Kraftstoffen und vollständig elektrisch oder mit Wasserstoff betriebenen Flugzeugen darstellen.

Da Turbofan-Triebwerke die am weitesten verbreitete Antriebstechnologie in Verkehrsflugzeugen sind, haben Effizienzsteigerungen in diesem Bereich ein sehr großes Potenzial, die Luftfahrt klimafreundlicher zu machen. Zu den Vorteilen der zuvor erläuterten Antriebstechnologien gehören die potenzielle Reduzierung von THG-Emissionen, die Diversifizierung der Energiequellen sowie die Lärmminderung. Daneben gibt es eine ganze Reihe von technologischen Herausforderungen und Barrieren bei der Implementierung. Die beschriebenen Antriebskonzepte, wie Elektroantriebe, Wasserstoffbrennstoffzellen und Hybridantriebe, befinden sich aktuell noch in der Entwicklungsphase.

Darüber hinaus spielt die Optimierung des Flugbetriebs eine wesentliche Rolle. So könnten beispielsweise nicht nur die hohen Kraftstoffkosten von E-Fuels abgefedert und die spezifischen CO2-Emissionen pro Fluggast reduziert, sondern auch die Reichweite von Flugzeugen mit alternativen Antriebskonzepten erhöht werden. Durch die aerodynamische Verbesserung, wie beispielsweise durch besonders glatte Oberflächenbeschaffenheit oder die Verwendung gebogener Flügelspitzen (Winglets), lässt sich ebenfalls der Kraftstoffverbrauch senken und die Reichweite erhöhen.

Eine weitere, derzeit untersuchte Option zur Verringerung des Gesamtkraftstoffverbrauchs auf Langstreckenflügen ist die Luftbetankung. Eine Alternative wären zusätzliche Zwischenstopps zur Betankung.

Eine optimierte Flugplanung auf der Ebene der Fluggesellschaften und des Flugverkehrsmanagements (Air Traffic Management – ATM) hat das Potenzial, die Emissionen bei der Durchführung von Flügen zu senken. Auch betriebliche Maßnahmen können erheblich dazu beitragen, die Effizienz zu erhöhen. Dazu gehören insbesondere ein verbessertes Luftraummanagement zur Vermeidung von Umwegen, effizien­te Flugverfahren wie ein langsamerer Sinkflug, klimaorientierte Optimierung von Geschwindigkeit und Flugprofilen sowie eine erhöhte Flugzeugauslastung. Mithilfe fortgeschrittener Software und Algorithmen werden die effizientesten Flugrouten ermittelt, wobei Faktoren wie Wetterbedingungen, Luftverkehr und Treibstoffverbrauch berücksichtigt werden.

Um einen reibungslosen Betrieb an Flughäfen zu gewährleisten, ist eine Vielzahl an Bodenequipment notwendig. Der elektrische Betrieb von z. B. Flugzeugschleppern, Förderbändern, Gepäckwagen, Toilettenwagen, Trinkwasserwagen und Zubringertaxis könnte den ökologischen Fußabdruck der Luftfahrt reduzieren. Die Verbesserungen der Flughafeninfrastruktur, wie Rollwege, Start- und Landebahnen und Terminals, spielen eine entscheidende Rolle, um die Leerlaufzeiten von Flugzeugen zu minimieren und den Verkehrsfluss zu verbessern. Dadurch können der Treibstoffverbrauch am Boden reduziert, Emissionen verringert und Flughafenkapazitäten optimiert werden.

Digitale Simulationen von Flugzeugsystemen (digitale Zwillinge) helfen dabei, die Leistungen von Anlagen in Echtzeit digital zu simulieren, vorherzusagen und zu optimieren sowie neue Designs und Technologien virtuell zu testen, bevor physische Prototypen gebaut werden. Dies kann den Entwicklungsprozess beschleunigen, den Ressourcenverbrauch reduzieren und umweltfreundlichere Innovationen ermöglichen.

Klimaneutrale Luftfahrt in Deutschland

Angesichts des aktuellen Stands der Technik kann Folgendes konstatiert werden: Keine der betrachteten Strategien ist für sich genommen ausreichend, um die Emissionsziele zu erreichen, sondern es braucht eine Kombination unterschiedlicher Maßnahmen, die die jeweiligen Stärken und Schwächen der Innovationen sowie unterschiedliche Anwendungsbereiche berücksichtigt. SAF stellen dabei den wichtigsten Innovationsbereich mit kurzfristigem Zeithorizont dar, da sie bereits heute in der Bestandsflotte einsetzbar sind und Emissionen senken können. Hybride Antriebskonzepte haben das Potenzial, ab 2030 auf Regionalstreckenflügen, ab etwa 2040 auf Kurzstreckenflügen und ab etwa 2050 auf Mittelstreckenflügen zum Einsatz zu kommen. Es ist davon auszugehen, dass es vermutlich noch mindestens 20 bis 30 Jahre dauern wird, bis die vorgestellten Innovationen in relevanter Größe zur Anwendung kommen, da die Technologien entweder noch nicht ausgereift oder die verfügbaren Mengenpotenziale der Kraftstoffe kurzfristig nicht ausreichend sind.

Treiber und Barrieren für eine klimaneutrale Luftfahrt

Gesellschaftliche Treiber und Barrieren sind durch einen regen gesellschaftlichen Diskurs zu den ökologischen Folgen gekennzeichnet, der bislang aber noch nicht in einen deutlich erkennbaren Wertewandel mündet und zu einer Nachfrageveränderung nach Flugreisen führt. Getrieben wird vielmehr eine steigende Nachfrage nach Flugreisen durch das weltweite Bevölkerungswachstum sowie ein steigendes Mobilitätsbedürfnis und positive Wohlstandsentwicklungen. Unklar ist allerdings gegenwärtig, inwiefern die steigende Nachfrage zukünftig durch das aktuell eher knappe Angebot bedient werden kann. Auf jeden Fall dürften die Ticketpreise für Flüge steigen, sodass die künftige Entwicklung der Luftfahrt von der Zahlungsbereitschaft der Kund/innen abhängig ist. Hinzu kommt, dass mit der Entwicklung und Einführung neuer Technologien Sicherheitsbedenken und Akzeptanzfragen verbunden sein können. Hier sind allerdings belastbare Erkenntnisse zu den unterschiedlichen Innovationsbereichen bislang nur eingeschränkt verfügbar.

Wirtschaftliche Treiber und Barrieren sind vor allem durch das Investitionsumfeld zur Realisierung von Marktpotenzialen, die Fachkräfteverfügbarkeit sowie den Fachkräftebedarf und die Infrastrukturentwicklung charakterisiert. Zwar können die unternehmerischen und institutionellen Strukturen in Deutschland als leistungsfähig angesehen werden, jedoch ist insbesondere die Konkurrenzsituation zu anderen Branchen und Sektoren bei den benötigten Energieträgern eine zu lösende Herausforderung. Ähnliches gilt für den Bedarf und die Verfügbarkeit von Fachkräften. Zwar besteht hier eine grundsätzliche sehr gute Basis im Hinblick auf Ausbildungsmöglichkeiten und Qualifizierungsniveaus, jedoch zeichnet sich bereits jetzt ein Fachkräftemangel ab, der sich künftig in Konkurrenz zu anderen Sektoren und Branchen noch verschärfen dürfte. Letztlich ist es eine wirtschaftliche Herausforderung, die Infrastrukturen für die Produktion, den Transport und die Betankung sowohl für Wasserstoff als auch für SAF aufzubauen und zu skalieren und sich bei der Beschaffung gegenüber anderen Sektoren und Branchen zu behaupten.

Im Bereich Umwelt ist vor allem die Forschung zu den Effekten der Luftfahrt auf Atmosphäre und Klima von Bedeutung. Insbesondere zur Wirkung von Nicht-CO2-­Effekten bestehen gegenwärtig noch Wissenslücken, die es erschweren, effiziente Maßnahmen zur Mitigation der klimaschädlichen Effekte zu entwickeln. Bei der Betrachtung von Kompensationsmaßnahmen ist zu beachten, dass diese sich voneinander unterscheiden und unterschiedliche Wirkungen entfalten, bis hin zu Reboundeffekten, bei denen die Möglichkeit zur Kompensation einen Anstieg der Flugreisen bewirken kann.

Die Politik kann eine wichtige Rolle bei der Gestaltung eines möglichst klimaneutralen Luftverkehrs spielen. Insbesondere die Unterstützung beim Aufbau der erforderlichen Infrastrukturen sowie die Anpassung von Regularien, wie etwa eine Ausweitung des Europäischen Emissionshandelssystems (EU-EHS), sollten zum einen dazu dienen, ein verlässliches Markt- und Investitionsumfeld zu schaffen, und zum anderen die Interessen der unterschiedlichen Stakeholder ausgleichen. Der Luftfahrtsektor ist geprägt von vergleichsweisen langen Entwicklungs- und Zulassungszeiträumen für neue Technologien. Die Entwicklung und Zulassung neuer Flugzeugdesigns oder Triebwerke dauert schätzungsweise bis zu 15 Jahre, die Marktdurchdringung dann noch einmal bis zu 30 Jahre. Daher bedarf es einer erheblichen Steigerung öffentlicher und privatwirtschaftlicher Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie einer Beschleunigung von Entwicklungszyklen und Zulassungsverfahren. Auch die Anpassung von Zulassungs- und Zertifizierungsverfahren sowie die Weiterentwicklung von Standards spielen eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Innovationsbereiche und der Schaffung von Investitionssicherheit.

Technologiepfade und Beiträge zur Klimaneutralität.Das Flächendiagramm zeigt die angenommene Entwicklung von Technologien, welche zur Klimaneutralität beitragen sollen, bis 2050.
Die Abbildung zeigt eine angenommene ideale Entwicklung der Technologien bis 2050, die dazu führt, dass trotz eines anzunehmenden Anstiegs der benötigten Flugtreibstoffenergie fossile Kraftstoffe schrittweise durch alternative Technologien ersetzt werden können.

 

Stärken und Schwächen des deutschen Luftfahrtinnovationssystems

Das deutsche Luftfahrtinnovationssystem weist deutliche Stärken wie auch einige Schwächen auf. Die langjährigen Innovationsaktivitäten haben zur Herausbildung eines international bedeutsamen Innovationsökosystems geführt, innerhalb dessen ein Großteil der Wertschöpfungsstufen der Luftfahrt abgedeckt wird.

Abb. Stärken und Schwächen des deutschen Luftfahrtinnovationssystems. Die Tabelle bietet einen Überblick über die wesentlichen positiven und negativen Eigenschaften des deutschen Luftfahrtinnovationssystems

Handlungsfelder

Für die Gestaltung einer klimaverträglicheren Luftfahrt bestehen verschiedene Handlungsoptionen: zum einen solche, die sehr kurzfristig umgesetzt werden können und wirksam sind, und zum anderen diejenigen, deren Wirkungen erst mittel- bis langfristig einen Beitrag zur klimaneutralen Luftfahrt liefern können.

Kurzfristige Maßnahmen

Um die stärkere Nutzung von SAF zu unterstützen, bieten sich als Optionen die Reduktion des Aromatenanteils im Kerosin sowie eine Anpassung der Besteuerung an.

Die Nutzung von SAF könnte durch Book-und-Claim-Konzepte, also Zertifikate für die Nutzung von SAF, die Fluggesellschaften erwerben können, unterstützt und die Wertschöpfungs- bzw. Lieferkette von SAF auf diese Weise nachhaltig gestaltet werden.

Ein weiterer Hebel ist die Anpassung der Besteuerung der Luftfahrt durch Erhebung einer Kerosinsteuer. Auch die Optimierung von Flugrouten kann durch zeitnahe Zulassung dabei helfen, Emissionen zu reduzieren.

Kurzfristig könnten die bestehenden Netzwerke von Innovationstreibern durch die Technologieförderung, insbesondere im Rahmen des LuFo Klima, gepflegt und ausgebaut werden.

Ein spezielles Augenmerk könnte auf das Segment der Privatflugzeuge gelegt werden, die insbesondere für Kurzstrecken genutzt werden. Hier zeigt sich in Deutschland eine erhebliche Zunahme der durchgeführten Flüge, verbunden mit einem unverhältnismäßigen Anteil an klimaschädlichen Emissionen. Da es sich in der Regel um Kleinflugzeuge handelt und überwiegend Kurzstrecken bedient werden, bietet sich dieses Segment an, um über eine Besteuerung bzw. den Emissionshandel und über die Einführung neuer Antriebskonzepte, wie etwa den batterieelektrischen Flugantrieb, die klimaschädliche Wirkung zu reduzieren.

Mittel- und langfristige Maßnahmen

Gestaltungsoptionen, die voraussichtlich erst mittel- bis langfristig Wirkung erzielen werden, müssen dennoch kurzfristig auf den Weg gebracht werden. Gerade angesichts der langfristigen Innovationszyklen sowie des Zeitbedarfs bei der Zertifizierung von Kraftstoffen und technischen Komponenten erscheint es notwendig, umgehend die Weichen für eine klimaneutrale Luftfahrt zu stellen. In diese Kategorie kann die Anpassung von Standards und Normen sowie der Sicherheitszertifizierungen, insbesondere mit Fokus auf (bislang nicht zugelassene) aromatenfreie SAF, gefasst werden. Angesichts der Interdependenzen zwischen Produktionsprozessen für unterschiedliche Varianten von SAF, möglicher Sektorkonkurrenzen bei der Produktion und Nutzung von Wasserstoff sowie der Herausforderung, Produktionskapazitäten von grünem Wasserstoff zu skalieren, erscheint eine Sektorkopplung sinnvoll zu sein. Dadurch ließen sich Investitionslasten zum Aufbau ausreichender Infrastrukturen gerechter verteilen.

Mittelfristig bietet die Digitalisierung Potenziale, um die Luftfahrt sowie den Flugzeugentwurf und -betrieb effizienter zu gestalten. Eine entsprechende Förderung beim Ausbau digitaler Infrastrukturen in der Luftfahrt kann die betroffenen Produzenten und ihre Zulieferer dabei unterstützen, die Potenziale zu erschließen.

Um Konsument/innen bei der Verkehrsmittelwahl klimafreundlicherer Alternativen besser zu unterstützen, könnten „Klimafreundlich-Labels“ zu mehr Transparenz beitragen, wenn sich Flugreisen bzw. -routen im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln oder beim Vergleich unterschiedlicher Flugroutenoptionen als klimafreundlicher herausstellen sollten.

Die parallele Entwicklung verschiedener Technologien mit unklarem Durchsetzungspotenzial erfordert erhebliche finanzielle Anstrengungen. Insofern ist zur Schaffung eines verlässlichen Investitions- und Innovationsumfeldes eine sorgfältige Abwägung der unterschiedlichen Alternativen durch die Politik notwendig.

Kontakt

Lukas Nögel
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