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Optionen für eine klimaneutrale und nachhaltige Grundstoffindustrie in Deutschland

Gutachter/innen im Rahmen des TA-Projekts »Alternative Technologiepfade für die Emissionsreduktion in der Grundstoffindustrie« gesucht

Deutschland soll bis zum Jahr 2050 weitgehend treibhausgasneutral werden. Hierzu muss auch die Industrie, insbesondere die energieintensive Grundstoffindustrie, ihren Treibhausgasausstoß massiv reduzieren. Neue emissionsarme Technologien und Prozesse für eine klimaneutrale Grundstoffindustrie stehen bereits heute oder in absehbarer Zukunft zur Verfügung, allerdings stellt deren Einführung die Industrie teilweise vor große Herausforderungen. Das TA-Projekt »Alternative Technologiepfade für die Emissionsreduktion in der Grundstoffindustrie« des TAB zielt darauf ab, den aktuellen Stand der Technologien und ihre Anwendungs- und Einsparpotenziale zu erfassen und politische Optionen zur Beförderung einer nachhaltigen Transformation der Grundstoffindustrie aufzuzeigen.

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Thematischer Hintergrund

Der Industriesektor ist nach dem Energiesektor mit rund 23 % der Gesamtemissionen der zweitgrößte Emittent von Treibhausgasen in Deutschland (Stand: 2019)1. Die Emissionen dieses Sektors sollen gemäß Bundes-Klimaschutzgesetz bis 2030 um rd. 50 % gegenüber 1990 (rd. 25 % gegenüber 2019) reduziert werden, um das langfristige Ziel einer weitgehenden Klimaneutralität bis 2050 erreichen zu können.

Für den Löwenanteil der Emissionen ist die Grundstoffindustrie verantwortlich, darunter vor allem die Metallindustrie (u. a. Eisen und Stahl), die mineralische (u. a. Zement, Kalk) sowie die chemische Industrie (u. a. Ammoniak, Petrochemie). Die Treibhausgasemissionen entstehen aktuell zu rund zwei Dritteln energiebedingt (Verbrennung von fossilen Brennstoffen zur Bereitstellung von Prozesswärme, Dampf oder mechanischer Energie) und zu rund einem Drittel prozessbedingt (in der Zementindustrie beispielsweise verursacht durch das Brennen von Zementklinker, wobei die eingesetzten Rohstoffe zu einem Drittel aus mineralisiertem CO2 bestehen). Nicht außer Acht zu lassen sind außerdem CO2-Emissionen, die nach der Nutzungsphase von Produkten aus fossilem Kohlenstoff (z. B. Kunststoffe) durch Verbrennung oder Abbauprozesse entstehen. Diese Emissionen werden zwar anderen Sektoren zugerechnet (z. B. Abfallsektor, Energiesektor bei Nutzung als Ersatzbrennstoff), haben ihren Ursprung aber in der industriellen Produktion. Dies gilt gleichermaßen für die aus dem Fremdstrombezug verursachten CO2-Emissionen, die dem Energiesektor zugerechnet werden. Minderungsmaßnahmen im Industriesektor können ihre Wirkung daher auch in anderen Sektoren entfalten.

Wesentliche Ansätze zur Reduktion der energiebedingten Emissionen der Grundstoffindustrie umfassen Effizienzsteigerungen sowie die Nutzung weitgehend CO2-neutraler Energieträger. Optionen zur Reduktion der abfallbedingten Emissionen sind die Verlängerung der Nutzungsdauer bzw. die Erhöhung der Recyclingraten für kohlenstoffhaltige Produkte oder die Nutzung alternativer Kohlenstoffquellen, z. B. Biomasse. Die Reduktion der prozessbedingten Emissionen stellt eine besondere Herausforderung dar, da hierzu grundlegende Umstellungen der konventionellen industriellen Prozesse und/oder die Substitution von Rohstoffen oder Produkten erforderlich sind. Ist eine Emissionsreduktion im erforderlichen Ausmaß technisch, wirtschaftlich oder aus anderen Gründen nicht möglich, verbleibt die Option zur Abscheidung und Nutzung (Carbon Capture and Utilization [CCU]) bzw. Speicherung von CO2 beispielsweise in geologischen Formationen (Carbon Capture and Storage [CCS]).

Alternative Technologielösungen und Produktionsverfahren für eine emissionsärmere Grundstoffindustrie stehen bereits heute vielfach zur Verfügung oder können in absehbarer Zeit zur Anwendungsreife gebracht werden.2 Die Entwicklungen in diesem Feld werden auch durch die Bundesregierung maßgeblich unterstützt. Beispielhaft genannt seien hier die Programme »Dekarbonisierung in der Industrie« unter der Federführung des BMU mit einem Fördervolumen von rd. 2,5 Mrd. Euro bis 2024, »CO2-Vermeidung und -Nutzung in Grundstoffindustrien« (BMWi; 465 Mio. Euro bis 2024) sowie »Vermeidung von klimarelevanten Prozessemissionen in der Industrie (KlimPro-Industrie)« (BMBF; 80 Mio. Euro ab 2021), durch welche die Erforschung, Entwicklung, Erprobung und Demonstration wie auch Investitionen in entsprechende Lösungen gefördert werden.

Gleichwohl stellt die Transformation der energieintensiven Grundstoffindustrie die Unternehmen, die sich in einem hochkompetitiven globalen Wettbewerb zu behaupten haben, vor enorme Herausforderungen. Die Politik ist gefordert, ergänzend zur (technologiespezifischen) Unterstützung von Forschung, Entwicklung und Investitionen durch Förderprogramme auch geeignete wirtschaftliche und regulatorische Rahmenbedingungen für die Unternehmen zu schaffen, damit diese anstehende Investitions- und Standortentscheidungen zugunsten von emissionsarmen Technologie- und Verfahrenslösungen treffen können. Hierzu steht grundsätzlich eine breite Palette von Politikinstrumenten zur Verfügung, die vom Abbau von Subventionen auf fossile Energieträger über die CO2-Bepreisung bis hin zu Beimischungsquoten für emissionsarme Materialien in Endprodukten reicht (einen Überblick über Politikinstrumente bietet beispielsweise die Studie »Klimaneutrale Industrie« der Agora Energiewende und des Wuppertal Instituts von 2019). Die Anwendung solcher Instrumente wird derzeit durch die Bundesregierung geprüft bzw. ausgearbeitet (u. a. im »Handlungskonzept Stahl«). Die dahinterstehende zentrale Frage lautet: Mit welchem politischen Maßnahmenbündel lässt sich das Ziel einer (weitgehend) klimaneutralen Grundstoffindustrie in Deutschland bis 2050 am besten erreichen?

Der Anspruch an eine künftige nachhaltige deutsche Grundstoffindustrie darf sich jedoch nicht nur am Ziel einer (weitgehenden) Klimaneutralität orientieren. Da die Transformation in vielen Industriesektoren notwendigerweise mit einem umfassenden Umbau der konventionellen Technologien, Produktionsprozesse, Stoffströme, Wertschöpfungsketten und etablierten Geschäftsmodelle einhergeht, sind neben nicht beabsichtigten umweltbezogenen Effekten auch wirtschaftliche und soziale Auswirkungen auf die betroffenen Industrien, die vor- und nachgelagerten Branchen (z. B. Energie, Anlagenbau, Bauwirtschaft, Automobil) sowie – u. a. vor dem Hintergrund von Carbon-Leakage-Risiken – generell auf den Wirtschaftsstandort Deutschland in den Blick zu nehmen. Die politischen Maßnahmen für eine langfristige Klimaneutralität der Grundstoffindustrie sind daher auch am Ziel auszurichten, die Transformation auf eine möglichst ökologische, wirtschafts- und sozialverträgliche Weise zu gestalten.

Vor diesem Hintergrund zielt das TA-Projekt »Alternative Technologiepfade für die Emissionsreduktion in der Grundstoffindustrie« darauf ab, mögliche Wege für eine (weitgehend) klimaneutrale, umweltgerechte, wirtschafts- und sozialverträgliche Transformation der energieintensiven Grundstoffindustrie bis 2050 aufzuzeigen und die dafür notwendigen politischen Handlungsnotwendigkeiten zu benennen. Hieraus resultieren drei Leitfragen für die Untersuchung:

  • Wie könnte bzw. müsste eine (weitgehend) klimaneutrale Grundstoffindustrie in Deutschland im Jahr 2050 aussehen?
  • Wie kann die Transformation auf eine möglichst wirtschafts- und sozialverträgliche sowie umwelt- und ressourcenschonende Weise gelingen?
  • Welche politischen Weichenstellungen müssen vorgenommen werden, um diese Ziele zu erreichen?

Die Behandlung dieser Leitfragen soll insbesondere auch mithilfe einer Modellierung der energieintensiven Grundstoffindustrie in Deutschland als soziotechnisches und sozioökonomisches System erfolgen. Für die Konzeption und Durchführung einer solchen Modellierung sowie für die Diskussion und Einordnung der Simulationsergebnisse sucht das TAB Gutachter/innen.

 

Leistungsbeschreibung des Gutachtens

Wie sich die energieintensive Grundstoffindustrie in Deutschland in den nächsten Jahrzehnten entwickeln wird, hängt in erster Linie von den jeweiligen Investitions- und Standortentscheidungen der Betreiberunternehmen und den daraus resultierenden Handlungen auf Ebene der technischen Anlagen, Prozesse und industriellen Werke ab. Maßgeblich beeinflusst werden diese unternehmerischen Entscheidungen von den wirtschaftlichen, infrastrukturellen und regulatorischen Rahmenbedingungen, auf welche wiederum die Politik indirekt (z. B. durch Preissignale wie ein ansteigender CO2-Mindestpreis) oder direkt (z. B. durch die Festlegung von Beimischungsquoten für »grüne« Materialien) steuernd einwirken kann. Um zu validen Aussagen über die Entwicklung der energieintensiven Grundstoffindustrie in Deutschland unter den Bedingungen unterschiedlich ausgeformter politischer Maßnahmen zu gelangen, erscheint es somit naheliegend und wünschenswert, das individuelle Innovationsverhalten der einzelnen Betreiberunternehmen (und ggf. weiterer Marktakteure in den vor- und nachgelagerten Branchen) unter diesen Rahmenbedingungen nachzubilden. Als methodisches Werkzeug hierfür bietet sich die agentenbasierte Modellierung und Simulation (ABMS) an, die deshalb im Rahmen dieser Untersuchung zur Anwendung gelangen soll.

Die folgenden Hinweise stecken den inhaltlichen Rahmen für die Erstellung des Gutachtens bzw. für die Anfertigung des Gutachtenangebots ab. Ergänzungen oder Konkretisierungen sind möglich und sollten ggf. im Rahmen der Angebotserstellung mit dem TAB abgestimmt werden.

Empirische Grundlagen und Daten

Im Gutachten sollen das empirische Fundament und die Datengrundlagen für die Behandlung der Leitfragen und die Erstellung, Initialisierung und Durchführung der ABMS erarbeitet werden. Hierzu sind u. a. folgende Aspekte von besonderem Interesse:

Status quo der energieintensiven Grundstoffindustrie in Deutschland

Es soll der Status quo der energieintensiven Grundstoffindustrie in Deutschland erhoben werden (z. B. vorhandene Industriewerke und Produktionsanlagen, verwendete Technologien/Prozesse und deren Emissionsintensität, anlagenspezifische Erneuerungsbedarfe, infrastrukturelle Rahmenbedingungen, Verfügbarkeit von Produktionsmitteln, Produktionsnetzwerke und Stoffströme zwischen den verschiedenen Industriebereichen, Produktionskosten und -mengen, Absatzmärkte, Beschäftigungszahlen). Die zu berücksichtigenden Aspekte sowie der Detailgrad der Informationen sind auch an den Anforderungen der Modellierung auszurichten.

Alternative Technologielösungen und Herstellungsverfahren für eine klimaneutrale Grundstoffindustrie

Für die Modellierung benötigt werden fundierte Informationen über die (künftige) Verfügbarkeit, die Kosten und das Potenzial der technologischen Optionen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen in der Grundstoffindustrie. Dazu soll ein aktueller Sachstand zu alternativen emissionsarmen Technologielösungen und Prozesse für die energieintensive Grundstoffindustrie erarbeitet werden. Hierfür ist die relevante publizierte Literatur (Fachzeitschriften, Tagungsbände, graue Literatur etc.) auszuwerten. Die Erkenntnisse der Literaturanalyse sollen, wo nötig, z. B. durch Experteninterviews aktualisiert und ergänzt bzw. validiert werden.

Die alternativen Technologielösungen und Prozesse sollen steckbriefartig dargestellt, erläutert und hinsichtlich der folgenden Aspekte diskutiert werden:

  • aktueller Forschungs- und Entwicklungsstand einschließlich laufender bzw. geplanter Forschung-, Entwicklungs-, Erprobungs- oder Demonstrationsvorhaben; Zeitpunkt der erwarteten Anwendungsreife für einen großindustriellen Einsatz (Technologieroadmap);
  • technisches Emissionsreduktionspotenzial gegenüber konventionellen Technologierouten;
  • Wirtschaftlichkeit gegenüber konventionellen Technologierouten in Abhängigkeit von den relevanten Kostenfaktoren wie Kapital-, Rohstoff- und Energiekosten (für Strom aus erneuerbaren Energien, grüner Wasserstoff);
  • bestehende bzw. zu erwartende technische, wirtschaftliche, regulatorische, praktische, systemische und soziotechnische Hemmnisse und Hürden für die Adoption der Technologielösungen im erforderlichen großindustriellen Maßstab;
  • falls die Prozessumstellung mit der Substitution von Rohstoffen oder Produkten einhergeht: Diskussion der Rohstoffverfügbarkeiten und der Produkteigenschaften;
  • ggf. unerwünschte Umweltwirkungen oder Beschäftigungseffekte.

Für die Zementindustrie ergibt sich im Hinblick auf die Dekarbonisierung eine besondere Situation. Solange emissionsarme Bindemittel als Ersatz für den in der Herstellung sehr emissionsintensiven Portlandzementklinker nicht zur kommerziellen großtechnischen Anwendungsreife gebracht werden können, bleiben die CO2-Abscheidung und -Speicherung die einzige Lösung. Alternative Bindemittel befinden sich derzeit in der Entwicklung und Erprobung, allerdings sind sie allesamt noch Nischenprodukte, deren strukturelle und Langzeiteigenschaften oft noch ungeklärt sind. Vor diesem Hintergrund sollen der Stand von Forschung, Entwicklung und Kommerzialisierung von alternativen Bindemitteln aufgearbeitet sowie die bestehenden Herausforderungen und Probleme, die einer großtechnischen Umsetzung und Anwendung dieser Produkte derzeit noch im Wege stehen, identifiziert und dargestellt werden.

Annahmen und exogene Inputfaktoren für die Modellierung

Für die Modellierung muss eine Reihe von Annahmen getroffen werden, wie die Umwelt, in der die Unternehmen agieren, sich im Zeitverlauf verändert (z. B. in Bezug auf die Entwicklung der globalen Nachfrage und Handelspreise für Produkte der Grundstoffindustrie oder hinsichtlich der Verfügbarkeit und Bezugskosten von erneuerbaren Energieträgern oder Rohstoffen). Die hierfür verwendeten Szenarien und Datengrundlagen für die Parametrisierung der Modellierung sollen im Gutachten beschrieben und begründet werden.

Konzeption, Implementierung und Durchführung der ABMS

Mit der ABMS können komplexe soziotechnische und sozioökonomische Systeme im Computer modelliert und deren künftige Entwicklung auf der Basis der Interaktionen von Agenten mit anderen Agenten, aber auch mit der Umwelt simuliert werden. Als experimentelle Methode erlaubt es die ABMS, die Auswirkungen von steuernden Eingriffen in das System zu untersuchen, indem verschiedene Interventionsszenarien durchgespielt werden. Dies soll im Rahmen des Gutachtens genutzt werden, um mögliche Entwicklungspfade für die energieintensive Grundstoffindustrie in Deutschland unter den Bedingungen unterschiedlicher politischer Interventionsszenarien durchzuspielen und die Folgen dieser Entwicklungspfade zu analysieren.

Konkret soll ein agentenbasiertes Modell für das System der energieintensiven Grundstoffindustrie in Deutschland entwickelt werden. Im Rahmen von Simulationsexperimenten sollen die Wirkungen unterschiedlicher politischer Maßnahmenbündel auf die künftige Entwicklung der Grundstoffindustrie sowie die sozioökonomischen und ökologischen Folgen dieser Entwicklungspfade untersucht werden. Ziel ist es, unter den möglichen Entwicklungspfaden solche zu identifizieren, die für eine klimaneutrale, wirtschafts-, sozial- und umweltverträgliche – sprich nachhaltige – Transformation der Grundstoffindustrie bis 2050 am besten geeignet erscheinen, und die dafür erforderlichen politischen Weichenstellungen zu benennen.

Die konkrete Ausgestaltung und Leistungsfähigkeit des zu entwickelnden agentenbasierten Modells sind von entscheidender Bedeutung für das Gelingen der Untersuchung. Daher erwartet das TAB, dass bereits im Gutachtenangebot ein grobes Konzept für die Erstellung der ABMS skizziert wird. Insbesondere soll dargelegt werden, wie die oben genannten Leitfragen der Untersuchung mithilfe der Modellierung und Simulation adressiert und behandelt werden können. Dabei ist u. a. die Beantwortung folgender Fragestellungen von Interesse:

  • Wie werden die relevanten Elemente des Systems der energieintensiven Grundstoffindustrie in Deutschland im Modell abgebildet? Welche Elemente werden als Agenten dargestellt, und wie wird die Umwelt parametrisiert? Wie bzw. in welcher Form kann die Rolle von Akteuren in den vor- und nachgelagerten Branchen (z. B. Zulieferbranchen wie Anlagenbau, Abnehmerbranchen wie Baugewerbe, Maschinenbau, Automobil) in der Modellierung berücksichtigt werden, um beispielsweise Fragen der Marktakzeptanz für neue Produkte (z. B. alternative Bindemittel in der Bauwirtschaft) zu adressieren?
  • Wie bzw. auf der Basis welcher Theorien des ökonomischen und/oder sozialen Handelns wird das individuelle Agentenverhalten simuliert und modelltechnisch in Entscheidungsregeln umgesetzt?
  • Welche sozioökonomischen, ökologischen und ressourcenbezogenen Indikatoren fließen in die Modellierung ein, um die volkswirtschaftlichen und sozialen Folgen (z. B. Auswirkungen auf die Produktivität, Wertschöpfung, Standortsicherheit, Beschäftigung, Innovationskraft oder internationale Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Grundstoffindustrien und ggf. der vor- und nachgelagerten Branchen) sowie unerwünschte Umwelt- oder Ressourceneffekte (z. B. Wegfall von Hüttensand als Klinkerersatzstoff für die Zementindustrie bei Anwendung von Direktreduktionsverfahren in der Stahlindustrie) der simulierten Entwicklungspfade zu untersuchen?
  • Wie können praktische Umsetzungshürden für die Diffusion alternativer Technologielösungen (z. B. Widerstände in der Wirtschaft, gesellschaftliche Akzeptanzfragen im Kontext von CCS, Fachkräftemangel) oder Ressourcenkonflikte (z. B. für erneuerbare Energieträger oder Rohstoffe) in der Modellierung berücksichtigt werden?

Für die Durchführung der Simulationsexperimente sind verschiedene politische Interventionsszenarien zu entwickeln, deren Wirkungen dann getestet werden sollen. Bereits im Rahmen des Gutachtenangebots sollen erste konzeptionelle Überlegungen für die Auswahl geeigneter politischer Interventionsszenarien angestellt werden. Eine Voraussetzung ist, dass sich die Szenarien in die derzeit bestehenden bzw. konkret geplanten politischen Programme und Maßnahmen für die Dekarbonisierung der Grundstoffindustrie (z. B. im Rahmen des Klimaschutzprogramms 2030, des Handlungskonzepts Stahl oder der Wasserstoffstrategie der Bundesregierung) einfügen. Ein weiteres Kriterium für die untersuchten politischen Maßnahmenbündel ist, dass sie mit internationalem Recht (v. a. WTO-Recht) vereinbar sind. Von Bedeutung ist außerdem, dass nicht nur industrie- und wirtschaftspolitische Instrumente, sondern auch umwelt- und sozialpolitische Maßnahmen Berücksichtigung finden (z. B. Maßnahmen zur Förderung der gesellschaftlichen Akzeptanz für CCS).

Aufbereitung der Modellierungsergebnisse und Dokumentation

Die im Rahmen der Simulationsexperimente gefundenen Entwicklungspfade für eine nachhaltige Transformation der Grundstoffindustrie einschließlich der diesen Pfaden zugrundeliegenden politischen Interventionsszenarien sollen im Gutachten vertieft dargestellt und diskutiert werden. Hierbei von besonderem Interesse sind neben der Darstellung der relevanten Modellierungsergebnisse (u. a. erzielbare Emissionsminderungen, dafür notwendige Reduktionsoptionen, Ressourcenbedarfe, Folgewirkungen) auch die Dokumentation und Erläuterung von Erkenntnissen, die durch die Simulationsexperimente in Bezug auf wichtige Einflussfaktoren für das Verhalten der Industrieakteure sowie hinsichtlich möglicherweise überraschend auftretenden (emergenten) Effekten, Kausalketten und (schwer vorhersehbaren) Systemzuständen gewonnen werden können.

Generell wird erwartet, dass alle Schritte für die Konzeption und Durchführung der ABMS im Gutachten dokumentiert werden (Modellannahmen, Entscheidungsregeln, Parametrisierung der Simulation etc.).

Diskussion und Einordnung der Modellierungsergebnisse

Wie jede Modellierung kann auch die ABMS die Realität nie vollständig abbilden, sodass die Plausibilität der erzielten Simulationsergebnisse kritisch überprüft und diskutiert werden muss. Zu diesem Zweck sollen zum einen die gefundenen Entwicklungspfade mit anderen aktuellen, in der Fachliteratur vorhandenen Szenarien und Einschätzungen für die Dekarbonisierung der Grundstoffindustrie in Deutschland verglichen und im Hinblick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede diskutiert werden. In diesem Kontext von besonderem Interesse ist Frage, ob spezifische Grenzen bei der Interpretation der Modellierungsergebnisse auftreten.

Zum anderen sollen die erzielten Simulationsergebnisse und Erkenntnisse im Rahmen eines Expertenworkshops mit in- und ausländischen Fachleuten aus der Grundstoffindustrie und ihren Zuliefer- und Abnehmerbranchen, von Start-up-Firmen, aus den Ingenieur-, Umwelt- und Sozialwissenschaften sowie mit Vertreter/innen von Verbänden und Behörden (z. B. Gewerkschaften, Ministerien) diskutiert und eingeordnet werden. Gegebenenfalls besteht die Möglichkeit, die entwickelte ABMS im Rahmen des Workshops in Echtzeit zu nutzen, um das damit erzielbare Wissen weiter zu vertiefen. Der Workshop soll schließlich auch dazu dienen, im Rahmen der Modellierung und Simulation ggf. nicht abbildbare Diffusionshemmnisse (wie z. B. systemische Hürden) bzw. nicht beobachtbare Folgen der Transformation der Grundstoffindustrie zu identifizieren und zu erörtern. Die Ergebnisse des Workshops sind zu dokumentieren.

 

Bearbeitungsaufwand und Termine

Der vergütbare Bearbeitungsaufwand für das Gutachten wird mit ca. 10 bis 12 Personenmonaten veranschlagt.

  • Abgabetermin für ein Angebot ist der 8. März 2021.
  • Mit der Bearbeitung des Gutachtens soll (voraussichtlich) ab dem 3. Mai 2021 begonnen werden.
  • Die Vorlage des Gutachtens muss bis zum 5. November 2021 erfolgen.

Die gegenwärtige Krisensituation erschwert konkrete zeitliche Planungen und Projektabläufe. Daher sei explizit darauf verwiesen, dass die Gutachtenvergabe und -erstellung zu den genannten Terminen vorbehaltlich der rechtzeitigen Zustimmung bzw. Mittelbewilligung durch den Deutschen Bundestag erfolgen. Die angegebenen Daten sind als Zielwerte zu verstehen. Dies betrifft auch eventuelle terminliche Schwierigkeiten, die im Zuge der Gutachtenbearbeitung entstehen können. Bitte wenden Sie sich mit diesbezüglichen Fragen an uns.

 

Hinweise zur Angebotserstellung

Bei der Erarbeitung der Angebote sind die »Hinweise für Gutachter/innen« zu beachten. Insbesondere muss die Kompetenz der Anbietenden aus den Angeboten hervorgehen, und es müssen die beabsichtigte Vorgehensweise und der erforderliche Bearbeitungsaufwand verdeutlicht werden.

Senden Sie uns zunächst eine elektronische Version Ihres Angebots zusammen mit dem ausgefüllten Formblatt (Word-Dokument zum Ausfüllen) oder des parallel ausgefüllten Online-Formulars zu administrativen Angaben zum Gutachtenangebot an unsere E-Mail-Adresse buero∂tab-beim-bundestag.de. Nach unseren Erfahrungen müssen die eingehenden Angebote zumeist inhaltlich, formal und kalkulatorisch überarbeitet werden. Sollten wir Ihr Angebot nach Prüfung durch uns in die engere Wahl ziehen und dem Deutschen Bundestag zur Vergabe vorschlagen wollen, werden wir Sie um eine entsprechende Modifizierung sowie hernach um die Zusendung eines unterschriebenen Angebots an das TAB bitten (Neue Schönhauser Straße 10, 10178 Berlin).

 

Weitere Informationen und Downloads

 

2 Siehe z. B. Agora Energiewende/Wuppertal Institut (2019): Klimaneutrale Industrie; ICF/Fraunhofer ISI (2019): Industrial Innovation: Pathways to deep decarbonisation of Industry; acatech (2018): CCU und CCS – Bausteine für den Klimaschutz in der Industrie; BCG/prognos (2018): Klimapfade für Deutschland; Fraunhofer ISI (2019): Eine Wasserstoff-Roadmap für Deutschland