Arbeitsweise

Konsensorientierte Themenfindung im Bundestag

Anträge zur Durchführung einer Untersuchung können von allen Fachausschüssen des Deutschen Bundestages bzw. den dort vertretenen Fraktionen (auch gemeinsam) gestellt werden.

Das TAB legt zu jedem Themenvorschlag eine Stellungnahme zur Frage seiner wissenschaftlichen Bearbeitbarkeit sowie weitergehende Überlegungen zu den Zielsetzungen, Inhalten und Methoden eines möglichen Projekts vor.

Unter Leitung des/der Ausschussvorsitzenden diskutiert die Berichterstattergruppe für TA mit den Vertreter/innen des TAB die sachliche, politische und gesellschaftliche Relevanz der beantragten Themen. Auf dieser Basis werden die zu untersuchenden Themen konsensual ausgewählt und dem ABFTA zur Entscheidung vorgelegt.

Trotz des Querschnittscharakters vieler zu analysierender Technologien und Fragestellungen lassen sich im Rückblick auf über 30 Jahre parlamentarische TA thematische Schwerpunkte feststellen: Biotechnologie und Gesundheit, Digitale Gesellschaft und Wirtschaft, Energie und Umwelt, Infrastrukturen und Sicherheit sowie Landwirtschaft und Ernährung. 

Inter- bzw. transdisziplinäre und kollaborative Durchführung 

Nach der Beschlussfassung durch den ABFTA ist das TAB für die wissenschaftliche Bearbeitung und das Management der Projekte verantwortlich.  Am Anfang stehen für das jeweilige Projektteam intensive Recherchen und Expertengespräche zu relevanten Forschungsfragen und -ergebnissen. Diese dienen auch dazu, widerstreitende wissenschaftliche Meinungen und kontroverse Positionen verschiedener Interessengruppen zu eruieren.

Das TAB arbeitet wissenschaftlich inter- bzw. transdisziplinär. Das Projektteam beobachtet über die gesamte Laufzeit die aktuellen wissenschaftlichen Diskussionen sowie themenbezogene öffentliche und politische Debatten und wertet diese aus. Zu zentralen Fragestellungen eines TA-Vorhabens oder Monitorings schlägt das TAB dem ABFTA die Vergabe von Gutachten an externe Expert/innen bzw. wissenschaftliche Einrichtungen vor. Die Zusammenarbeit mit den externen Gutachter/innen und die Auswertung der Gutachten bilden ein Kernstück der Projektarbeit. Zu Zwischenergebnissen werden Workshops und Fachgespräche im Bundestag veranstaltet. Häufig werden auch Forschungsorganisationen, Unternehmen, zivilgesellschaftliche Gruppen, Behörden oder Bürger/innen in den Untersuchungsprozess einbezogen. So können die Kommunikation zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und dem Deutschen Bundestag sowie der Wissens- und Meinungstransfer bereits vor Abschluss der Projekte erfolgen. Die Resultate aller Aktivitäten werden vom TAB zusammengeführt, und das Projekt wird mit einem Endbericht abgeschlossen.

Abnahme und Veröffentlichung der Projektergebnisse

Die TA-Berichterstattergruppe prüft und kommentiert die Abschlussberichte aus TA-Projekten und -Kurzstudien und schlägt im Konsens dem ABFTA ggf. die Abnahme und Veröffentlichung als Bundestagsdrucksache vor. Häufig werden Projektergebnisse im ABFTA vorgestellt oder sind Grundlage von Fachgesprächen in weiteren Fachausschüssen des Deutschen Bundestages. Grundsätzlich werden alle Ergebnisse frei zugänglich zur Verfügung gestellt.

Inhaltliche und institutionelle Neutralität und Unabhängigkeit

Inhaltliche und institutionelle Neutralität und Unabhängigkeit sind ein wesentlicher Grundpfeiler der Beratungsleistung. Alle Untersuchungen werden nachvollziehbar durchgeführt. Annahmen und Werturteile werden offengelegt und begründet, Arbeitsergebnisse werden lesefreundlich und parlamentsorientiert – d.h. ausgerichtet am Informationsbedarf und an den Aufgaben des Deutschen Bundestages – dargestellt. Die Leitung und die Mitarbeiter/innen des TAB unterliegen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben für den Bundestag keinen inhaltlichen Weisungen ihres Arbeitgebers oder des Bundestages.  

» Es ist wichtig, dass Klarheit über die Rollen besteht. Wissenschaft ebnet die Grundlage für unsere politischen Entscheidungen. Bei uns im Bundestag werden TAB-Berichte im Konsens von allen Fraktionen beauftragt und abgenommen. Der parlamentarische Diskurs über technologische Innovation kann also auf einer gemeinsamen Faktenbasis erfolgen.«
Kai Gehring, Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (im Interview mit der TATuP)

Arbeitsbereiche

TA-Projekte 

In TA-Projekten werden mit einem breiten Untersuchungsansatz komplexe Themen der Wissenschafts- und Technikentwicklung analysiert, die auch einen ausgeprägten Querschnittscharakter haben können und langfristig von gesellschaftlicher Bedeutung sind. Das Leitbild einer umfassenden nachhaltigen Entwicklung bildet eine zentrale Orientierung für die Analyse und Abschätzung wissenschaftlich-technologischer, ökonomischer und sozialer Zukunftspotenziale sowie damit verbundener Forschungs- und Handlungsoptionen. 

Kurzprojekte: TA-Kompakt

Auf Beschluss der Berichterstattergruppe TA erarbeitet das TAB bei kurzfristigem Informations- und Beratungsbedarf des Parlaments Themenkurzprofile und Kurzstudien innerhalb von drei bis neun Monaten.

Monitoring 

Relevante Teilaspekte des Wandels von Wissenschaft, Technik und Gesellschaft (z. B. Stand von Forschung und Entwicklung, Regulierung, internationale Vergleiche) und dessen mögliche Auswirkungen werden in Monitoringvorhaben thematisch fokussiert untersucht.

Innovationsanalysen

Innovationsanalysen behandeln Felder mit besonderer Dynamik des Innovationsgeschehens in wissenschaftlich-technischer und sozialer Hinsicht, die ein großes Anwendungspotenzial erwarten lassen und darüber den Strukturwandel von Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft besonders stark beeinflussen können.

Foresightanalysen

Mittels Horizon-Scanning/Technikvorausschau werden wissenschaftlich-technische Trends in frühen Entwicklungsstadien beobachtet und in den Kontext gesellschaftlicher Debatten eingeordnet, um Innovationssignale möglichst früh erfassen und ihre Relevanz beurteilen zu können. Eine Fokussierung erfolgt auf jeweils durch die Berichterstattergruppe TA zu bestimmenden Themenfelder, die wissenschaftliche und technologische Trends und/oder bestimmte gesellschaftliche Bedarfsfelder abbilden. Ergebnisse aus dem Horizon-Scanning erscheinen als Themenkurzprofile. Außerdem werden im Rahmen der Foresight-Aktivitäten vorausschauende Analysen potenzieller Gefährdungslagen von Infrastruktursystemen durchgeführt (Resilienz-Radar), um die Entwicklung tragfähiger Resilienzstrategien zu ermöglichen (Resilienz-Check). Die Ergebnisse des Horizon-Scannings, des Resilienz-Radars und des Resilienz-Checks werden als sogenannte Themenkurzprofile, als Foresight-Report und als Resilienz-Dossier der Berichterstattergruppe zur Verfügung gestellt.

Konzepte und Methoden

Die Ergebnisse der Verfolgung und Teilnahme an der laufenden nationalen und internationalen Diskussion über Themen, Konzepte und Methoden der TA werden bei Bedarf in relevanten TA-Arbeitsbereichen berücksichtigt.

Diskursanalyse und Dialog mit gesellschaftlichen Akteuren

Die Förderung des öffentlichen Dialogs und der gesellschaftlichen Meinungsbildung ist ein wichtiger Teil der parlamentarischen TA. Einem systematischen Erfahrungs- und Meinungsaustausch mit gesellschaftlichen Akteuren im Deutschen Bundestag kommt besondere Bedeutung bei der Themenfindung und -strukturierung sowie bei der öffentlichen Diskussion der Ergebnisse zu. Mithilfe von partizipativen Diskursanalysen werden Einstellungen und Debatten hinsichtlich zukünftiger Nachfrage- und Handlungserfordernisse repräsentativ untersucht, um gesellschaftliche Bedarfe und Positionen in TA-Untersuchungen systematisch berücksichtigen zu können. 

Internationale Zusammenarbeit

Die  Zusammenarbeit im »European Parliamentary Technology Assessment Network« (EPTA) bildet die Basis für eine Stärkung der internationalen parlamentarischen Technikfolgenabschätzung in auch über Europa hinaus.

»Wenn Voraussetzungen, Implikationen, Werte und Interessen von wissenschaftlicher Expertise offengelegt werden, kommt es zu besseren Entscheidungen in der Politik.«
E. D. Rossmann, TATuP 29 (1), 2020