TAB-Arbeitsbericht-ab107

eLearning in Forschung, Lehre und Weiterbildung

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Die Möglichkeiten einer computer- und netzgestützten Aus- und Weiterbildung sind Gegenstand von vielfältigen Erörterungen und Anwendungen in Wissenschaft und Praxis. Dies gilt im Blick auf die Bedeutung von eLearning für die Veränderungen der Forschungslandschaft und Wissensgesellschaft einerseits, aber auch für innovative Perspektiven und Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Unternehmen und ihrer jeweiligen Kommunikations- und Organisationskultur andererseits. Den Hintergrund aller Aktivitäten zum Thema eLearning bildet die in den letzten Jahren immer bedeutender gewordene Hinwendung zur sogenannten »innovativen Bildungstechnologie« und zum Paradigma des »Lebenslangen Lernens«.

Vor diesem Hintergrund hat – auf Anregung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – das TAB Ende 2003 mit der Durchführung eines Monitorings »eLearning« begonnen. Über einen längeren Zeitraum werden aktuelle und innovative Entwicklungen identifiziert, analysiert und politische Handlungskonzepte und Handlungsoptionen reflektiert. Zu ausgewählten Teilaspekten werden entsprechende Hintergrundpapiere und Sachstandsberichte vorgelegt (bisher: TAB-Hintergrundpapier Nr. 11, TAB-Arbeitsbericht Nr. 105).

 

Gegenstand und Ziel der Untersuchung

Die besondere Bedeutung von eLearning für die Entwicklung einer internationalen Wissensgesellschaft, der europäischen Forschungslandschaft und Wirtschaftsstruktur wird in zahlreichen Konzepten und Strategien für das sog. »virtuelle« Lernen deutlich und zunehmend gewürdigt. Gerade weil unterschiedliche Akteure – auf internationaler, nationaler und regionaler Ebene als Anbieter, Anwender, Mediäre und als Organisation – im Bereich eLearning aktiv sind, hat das Themenfeld diese enorme Dynamik entfaltet. Zu konstatieren ist jedoch auch, dass nach einigen Jahren der Anwendung Ernüchterung eingetreten ist und die Akteure nach Orientierung und soliden Perspektiven suchen.

Die Bedeutung des eLearnings für Dozenten und Studierende, für Forschung und Lehre in allen Fachbereichen, für Studien- und Hochschulreformen, für Hochschulmarketing, nationale Bildungstechnologie und internationale Reputation der deutschen Bildungseinrichtungen ist in den vergangenen Jahren überaus deutlich geworden. Die Erfahrungen aus den Förderprogrammen bzw. den weit über 100 Projekten, die das BMBF zwischen 2000 und 2004 gefördert hat, sowie empirische Untersuchungen zeigen jedoch ebenso deutlich, dass eLearning als Teil eines Hochschulentwicklungsprozesses zu begreifen ist und es um eine notwendige Veränderung der Hochschule im digitalen Zeitalter geht. Nationale Folgeprogramme und Förderungen wie z.B. »E-Learning für die Wissenschaft« sollen daher den Hochschulen in den Jahren 2005 bis 2007 helfen, das bislang Geschaffene zu konsolidieren. Ebenso ist klar, welche Integrationsbemühungen (noch) erforderlich sein werden, wenn zukünftig die allermeisten Lehrenden und Lernenden eLearning verwenden – möglich wird dies nur, wenn eine effektive und effiziente Integration in die Aufbau- und Ablauforganisation der Hochschulen erreicht werden kann. Letztlich ist zudem eine vollständige Integration mit den verschiedenen universitären Verwaltungsbereichen notwendig, deren Zusammenwirken eine Bedingung für einen nachhaltigen Einsatz von eLearning in den Hochschulen darstellt.

Ein im Frühjahr 2006 vorgelegter Sachstandsbericht (TAB-Arbeitsbericht Nr. 107) dokumentiert den Stand von Entwicklung, Einsatz und technischer Umsetzung von eLearning in den Bereichen Forschung, Lehre und Weiterbildung an den Hochschulen und gibt einen fundierten Überblick über die verschiedenen Aktivitäten der Universitäten, öffentlichen und privaten Hochschulen sowie wissenschaftlichen Weiterbildungseinrichtungen. Er analysiert zudem die Defizite und formuliert Handlungsbedarf.

 

Ergebnisse

eLearning in Forschung, Lehre und Weiterbildung in Deutschland

Nachhaltige Implementierung notwendig

Kernziel muss die dauerhafte Nutzung der Entwicklungen, die Übernahme innerhalb und außerhalb der Hochschulen sowie eine solide Finanzierungsgrundlage für Einsatz, Pflege und Weiterentwicklung von eLearning sein. Dazu gehören Maßnahmen zur strategischen Ausrichtung ebenso wie solche zur Technik, Didaktik und curricularen Integration. Nicht zu vernachlässigen sind Öffentlichkeitsarbeit und Marketing, Rechtemanagement und Qualitätssicherung. Das heißt auch, dass sich an der Sicherung der Nachhaltigkeit nicht nur die Hochschulen mit ihren Projekten, insbesondere die Hochschulleitungen, sondern auch Ministerien, Unternehmen, sonstige Institutionen sowie Finanz- und Fördermittelgeber beteiligen sollten. Dass die nachhaltige Implementierung von eLearning auf allen Ebenen von herausragender Bedeutung ist, haben inzwischen viele Verantwortliche in Politik und Hochschulleitungen erkannt. Mittlerweile werden vielfach Supporteinrichtungen aufgebaut, sei es an einer Einrichtung (Forschungsgruppe, Hochschulrechenzentrum, Medienzentrum), als Netzwerk aus (neuen und) vorhandenen Einrichtungen, als neue zentrale Einrichtung, als rein hochschulintern ausgerichtete Institution, als Einrichtung einer landesweiten Vernetzung oder als Anlagerung entsprechender Dienstleistungen an vorhandenen Kommunikations- und Medienzentren. Hier liegt auch ein Großteil der ab 2005 neu angelaufenen Fördermaßnahmen von Bund und Ländern.

Weiterbildung und Vermarktungspotenziale

eLearning-Entwicklungen richten sich noch mehrheitlich auf die Forschung und die Unterstützung und Ergänzung der Präsenzlehre an den Hochschulen. Weiterbildung ist bislang ein weniger beachtetes Arbeitsfeld, obgleich dieser Bildungsbereich Möglichkeiten für Einnahmen, Profilbildung, Kooperationen und mehr bietet. Auch die Weiterbildungszentren bieten noch nicht viele eLearning-Produkte an und zeigen sich hinsichtlich des Ausbaus dieses Angebots oft verhalten. Profilierung, ggf. Marktsegmentierung und Positionierung im Markt scheinen hier wie in anderen Diskussionen für die Hochschulen noch schwierig zu sein, auch wenn es inzwischen diverse einzelne Akteure, Hochschulleitungen und Supporteinrichtungen gibt, die sich neben administrativen und organisatorischen Aufgaben auch um diese strategischen Aspekte kümmern. Vermarktungs- und Vertriebsstrukturen finden sich in funktionsfähiger Form nur selten, was aber auch darauf zurückzuführen sein mag, dass die Weiterbildung an sich an den Hochschulen bisher keine allzu große Bedeutung hat(te). Von hoher Relevanz für die weitere Entwicklung ist jedoch zumindest die Ausrichtung auf qualitativ hochwertige Weiterbildung sowie die Zielgruppenorientierung und bedarfsgerechte Aufbereitung der Produkte. Diese Weiterbildung sollte die Kompetenz der Hochschulen spiegeln und zugleich auch den Bedürfnissen der Zielgruppen entsprechend den Zugang attraktiv und leicht machen.

Europäische Wissensgesellschaft – Potenziale des eLearnings

Eine umfassende Implementierung von eLearning hat sich insbesondere an der konkreten Frage zu orientieren: »Wo schafft der Einsatz von eLearning einen wirklichen Mehrwert gegenüber herkömmlichen Methoden und Inhalten von Lehre und Lernen? « Der Zusatznutzen kann beispielsweise in neuen Inhalten oder einer höheren Effizienz des Lernens bestehen. Neben den Formaten und Inhalten der Lehre werden sich aber auch die didaktischen Ansprüche an die Lehrenden verändern. Hier könnte das Motto lauten: »From teaching to learning.«

Diese Aspekte stellen auch wesentliche Bausteine der mit den Bologna-Reformen verbundenen europäischen Bildungsoffensiven im Kontext des lebenslangen Lernens dar. Bologna soll zum Beispiel die Mobilität der Studierenden fördern, eben das gehört zu den großen Versprechungen des eLearnings. Modularisierung und Transparenz sind ebenfalls Stichworte, die sowohl im Kriterienkatalog von Bologna stehen als auch das eLearning charakterisieren. Das von Bologna geforderte Selbststudium ist eLearning ohnehin immanent. Nicht zuletzt zwingt Bologna die Hochschulen, sich mit ihrer Gesamtorganisation auseinander zu setzen. Hier kann auch die in den letzten Jahren begonnene Strukturreform ein Motor für eLearning sein und Möglichkeiten eröffnen, den Einsatz neuer Medien an den Hochschulen zu fördern. Gelungene Beispiele hierfür lassen sich allerdings nicht beliebig auf andere Hochschulen und Angebote übertragen. Für ein attraktives und relevantes eLearning-Angebot ist vielmehr eine individuelle Anpassungs- und Entwicklungsstrategie unabdingbar.

Damit sich die Potenziale des Bologna-Prozesses und des eLearnings gegenseitig verstärken, sind die Hochschulleitungen noch wesentlich mehr gefordert, in eLearning auch ein relevantes praktisches und strategisches Thema und Instrument der Hochschulentwicklung zu sehen. Diesbezüglich geht die Schere zwischen Passivität auf der einen Seite und ambitionierter Aufbruchstimmung auf der anderen Seite derzeit noch häufig auseinander. Dies liegt allerdings nicht zuletzt an mit eLearning verknüpften falschen Leitbildern. Wo die tatsächlichen Potenziale des eLearnings liegen, bedarf einer stetigen und sehr viel weiter gehenderen kritischen Sichtung und Reflexion, und zwar sowohl hinsichtlich strategischer und konzeptioneller Überlegungen als auch der praktischen Entwicklungserfahrungen angesichts der vielen (und uneinheitlichen) Konzepte für Umsetzung und Implementierung von eLearning an den Hochschulen.

eLearning in Forschung, Lehre und Weiterbildung im Ausland. Angesichts eines zunehmend internationalisierten Bildungsmarketings ist es von großer Bedeutung, die Marktpotenziale des eLearnings sowie die Förderstrategien anderer Nationen zu kennen und von den dortigen Erfahrungen beim Einsatz von eLearning, bei der Kompetenzentwicklung oder auch der Realisierung von Innovationspotenzialen profitieren zu können. Ein im Frühjahr 2006 erstelltes Hintergrundpapier (Nr. 14) nimmt Finnland, Großbritannien, Schweiz, USA und Australien in den Blick. Der Bericht analysiert die ausgewählten Länder hinsichtlich ihrer wesentlichen eLearning-Aktivitäten – insbesondere im Bereich der Hochschullehre und Weiterbildung. Diese Staaten belegen allesamt im sogenannten »eLearning-Readiness Ranking« (eLRR) eine bessere Position als Deutschland. Generell zeichnen sich die Staaten, die im eLRR vordere Plätze einnehmen, durch einige Gemeinsamkeiten aus: ein hoher IKT-Verbreitungsgrad, Bildungssysteme, die auf eine sehr frühzeitige Bildungsförderung und diesbezügliche Integration von eLearning-Instrumentarien setzen, intensives Bildungsmarketing und eine Lernkultur, die Regierungen, Gesellschaft und Wirtschaft umfasst. Öffentlicher und privater Sektor arbeiten hier oftmals eng zusammen, es finden zahlreiche Gemeinschaftsprojekte und intensive Kooperationen zwischen Unternehmen, Verbänden, Regierungseinrichtungen und auch Bildungsinstitutionen statt.

Die in der Weltwirtschaft führenden Nationen USA, Japan und Deutschland belegen im eLRR die Ränge 3, 23 und 17, sodass Wirtschaftskraft allein offensichtlich kein entscheidender Faktor für die Implementierung von eLearning zu sein scheint. Die nordeuropäischen Länder sind dagegen unter den ersten neun Positionen zu finden. Mobile Kommunikationsmöglichkeiten und Breitbandverbindungen unterstützen dort, neben kulturellen Neigungen, dem insgesamt größeren IKT-Interesse, den Bildungssystemen und Regierungsinitiativen, die fortgeschrittene Entwicklung in Nordeuropa. In einigen Ländern mögen eine ausgeprägte Internetkultur und eine gewisse Tradition lebenslangen Lernens eine Rolle spielen. Insbesondere auch im tertiären Sektor ist die eLearning-Integration dort weit fortgeschritten. Dementsprechend stark ist beispielsweise in den USA der »virtuelle Universitätsmarkt«, aber auch im Schulbereich und bei einer großen Zahl privater eLearning-Anbieter zeigt sich die intensive Nutzung der IKT.

Deutschland im internationalen Vergleich

Auch in Deutschland gibt es zahlreiche Maßnahmen zur Integration von IKT und eLearning im Bildungsbereich, die jedoch vielfach erst später ansetzten als in den übrigen Ländern, weniger ziel führend und zielgruppenorientiert erscheinen und vor allem nur relativ wenig vernetzt sind. Hinderlich für kohärente, effizienz- und effektivitätsorientierte Strategien ist aber nicht nur die föderale Struktur Deutschlands mit einem zwischen den Ländern differierenden und in den einzelnen Ländern jeweils wiederum stark differenzierenden Bildungssystem. Die generellen Schwierigkeiten bei der Einbindung und Förderung von Benachteiligten, von Kindern und Jugendlichen aus einkommensschwachen Familien oder mit Migrationshintergrund in das Bildungssystem, die Problematik langwieriger Reformbemühungen im Bildungsbereich – im deutlichen Gegensatz z.B. zu Finnland, Großbritannien, USA – wirken sich auch auf die Entwicklung und Implementation von eLearning nachteilig aus.

Auffällig sind auch die oft fehlende Gesamtkoordination und geringe Vernetzung der vielfältigen öffentlichen und privaten eLearning-Akteure in Deutschland. Einzubeziehen ist auch die internationale Orientierung in Deutschland insgesamt. Während Australien, USA, Finnland und Großbritannien sich weltweit Anregungen holen und auf auswärtige Märkte zielen (insbesondere Australien), bemüht sich Deutschland erst allmählich im Rahmen von Initiativen (iMove, High Potentials) um den internationalen Bildungsmarkt: Doch auch hier bleibt eLearning weitgehend ausgegrenzt. Fast alle Entwicklungen zur virtuellen Lehre, die lange in den Hochschulen eher als Forschungsobjekte denn als Bildungsangebote und ggf. marktfähige Produkte betrachtet wurden, sind deutschsprachig. Dies hat zur Folge, dass den Hochschulen die internationale Verbreitung schwer fällt, und zudem auch gerade Großunternehmen, die international tätig sind und eLearning oft bereits in die Personalentwicklung implementiert haben, zum Teil eher auf ausländischen Content zurückgreifen. Hohe Kosten in den ersten Jahren, Fehlschläge bei Modellprojekten, Schwierigkeiten bei der Umsetzung, wie z.B. Akzeptanzprobleme, gab und gibt es in allen Ländern, doch wurden dort die Erkenntnisse offensichtlich besser genutzt, Lösungswege gesucht und erfolgreich angegangen.

Positiv beurteilen lassen sich in Deutschland die inzwischen angelaufenen Aktivitäten auf allen Ebenen des Bildungswesens, in der Wirtschaft – unter Beteiligung von Politik und Gesellschaft – sowie die Vielfalt an Initiativen, das Engagement von Einzelnen wie auch bundesweite Programme. Öffentliche und private Hände haben in Infrastruktur, in die Entwicklung und Implementation von eLearning investiert und einiges vorangebracht. Dabei wären allerdings ein Rahmenwerk und ein gemeinsames koordiniertes Vorgehen sinnvoll gewesen. Hier wären Verbesserungen erforderlich und eine Strategie zugrunde zu legen, die beispielsweise auch die Grundlagen für eGovernment schafft, Initiativen wie »Internet für alle« und »Überwindung des digital divide« umfasst sowie von der Primarstufe bis zum tertiären Sektor allgemein- und berufsbildend ansetzt. Auch die Synergieeffekte einer Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft müssten (international) genutzt werden.

Publikationen


Alle Publikationen zum Thema eLearning


eLearning für ältere Menschen
Revermann, C.; Kimpeler, S.; Georgieff, P.
2009. Europäische Wissensgesellschaft - Potenziale des eLearning. Hrsg.: C. Revermann, 197–258, trafo 
eLearning in der beruflichen Aus- und Weiterbildung
Revermann, C.; Georgieff, P.; Kimpeler, S.
2009. Europäische Wissensgesellschaft - Potenziale des eLearning. Hrsg.: C. Revermann, 45–76, trafo 
eLearning. TAB-Brief Nr. 31
TAB
2007. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) Full textFull text of the publication as PDF document
eLearning for children and elderly people. Summary
Kimpeler, S.; Georgieff, P.; Revermann, C.
2007. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). doi:10.5445/IR/1000137983Full textFull text of the publication as PDF document
Media use and eLearning in schools. Summary
Revermann, C.; Georgieff, P.; Kimpeler, S.
2007. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). doi:10.5445/IR/1000137977Full textFull text of the publication as PDF document
eLearning in the area of vocational training and further training. Summary
Georgieff, P.; Kimpeler, S.; Revermann, C.
2005. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). doi:10.5445/IR/1000137992Full textFull text of the publication as PDF document