Bundestag diskutiert mit Experten und Öffentlichkeit über TAB-Bericht zu Medienwandel

Fachgespräch am 16. Januar 2013 im Bundestag.
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Ernst Hinsken, Ulla Burchardt, Armin Grunwald

Das gemeinsame öffentliche Fachgespräch der Ausschüsse für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung sowie für Wirtschaft und Technologie am 16.1.2013 im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages stand unter dem Motto »Breitbandversorgung, Medienkonvergenz und Leitmedien. Ausgewählte Aspekte des Medienwandels und ihre politischen Implikationen«. Ihm lag der TAB-Arbeitsbericht »Gesetzliche Regelungen für den Zugang zur Informationsgesellschaft« zugrunde.

Nach den Eröffnungsstatements der Ausschussvorsitzenden Ulla Burchardt und Ernst Hinsken sowie des Vorsitzenden der Enquete-Kommission »Internet und digitale Gesellschaft«, Axel E. Fischer, und einer Einführung durch den Leiter des TAB, Prof. Dr. Armin Grunwald, gab Projektleiter Dr. Bernd Beckert eine Übersicht über den gesamten Monitoring-Bericht und fokussierte auf drei zentrale Ergebnisse:

  1. Durch einen Sechsländervergleich der Breitbandpolitiken habe sich gezeigt, dass andere Länder andere Strategien und zum Teil ambitioniertere Ziele verfolgten als Deutschland. Die deutsche Breitbandpolitik müsse sich dazu positionieren.
  2. Anbieter- und Meinungsvielfalt stellten sich im Internet nicht von selbst ein, nur weil prinzipiell jeder Nutzer auch zum Informationsanbieter werden könne. Vielmehr zeigten sich starke Konzentrationstendenzen bei den Zugangs- und Inhalteanbietern. Die medienpolitischen Ziele des diskriminierungsfreien Zugangs, der Transparenz und der Vielfalt müsse gegebenenfalls auch im Internet politisch eingefordert werden.
  3. Schließlich zeige der langfristige Strukturwandel der Massenmedien nicht nur deutliche Konvergenz- und Entgrenzungstendenzen, sondern werfe die Frage nach dem gesellschaftlichen Leitmedium in neuer Weise auf. Das Fernsehen behalte zwar momentan noch eine zentrale Funktion für die öffentliche Meinungsbildung, insbesondere in der jungen Nutzergruppe zeichne sich aber eine Verschiebung hin zum Internet ab. Gleichzeitig gerieten die Tageszeitungen durch einen Rückgang ihrer Reichweiten und weitere nachteilige ökonomische Rahmenbedingungen in eine schwere Krise.

Dieter Elixmann vom Wissenschaftlichen Institut für Kommunikationsdienste (WIK) ergänzte die Ausführungen zur internationalen Breitbandpolitik, in dem er betonte, dass unter Marktbedingungen im keinen Land der Welt ein flächendeckender Glasfaserausbau realisierbar sei. Verfolge man politisch dieses Ziel, sei ein finanzielles öffentliches Engagement unabdingbar.

Birgit van Eimeren von der Medienforschung des Bayerischen Rundfunks wies darauf hin, dass immer noch 17 Mio. Bundesbürger das Internet nicht nutzen, und von den Internetnutzern 23 Mio. zu den Rand- und Selektivnutzern gehören. Bei der Frage nach dem Zugang zur Informationsgesellschaft dürfe dieser Teil der Bevölkerung nicht vernachlässigt werden.

Prof. Dr. Uwe Hasebrink vom Hans-Bredow-Institut vertiefte die Frage nach den alten und neuen Leitmedien, die nicht einfach eine akademische, sondern eine zentrale medienpolitische sei: Indem die derzeitige Medienordnung dem Fernsehen eine Sonderrolle als »Leitmedium« zuweise, unterwerfe sie das Fernsehen z.B. auch einer medienspezifischen Konzentrationskontrolle zur Verhinderung vorherrschender Meinungsmacht. Angesichts von Digitalisierung, Konvergenz und realem Wandel der Mediennutzung erscheine diese Sonderrolle nicht mehr zeitgemäß. Die Medienkonzentrationskontrolle müsse vielmehr medienübergreifende Konzepte entwickeln unter Einbeziehung crossmedialer Angebote sowie der Berücksichtigung medialer Repertoires der Nutzer. Eine neue Kommunikationsordnung sollte weniger entlang der Mediengattungen und stärker dienstespezifisch differenzieren. Die Regulierungsintensität sollte gemäß der Bedeutung für den Prozess der individuellen und öffentlichen Kommunikation abgestuft werden.

Stellungnahmen aus den Fraktionen des Deutschen Bundestages leiteten die Diskussion auf dieser gut besuchten Veranstaltung ein: Der Abgeordnete Dr. Thomas Feist (CDU) wies auf den Zusammenhang von Zugang und Kompetenz hin. Gerade der Bildungsausschuss müsse sich für die Förderung der Kompetenzen zur Teilhabe an der Informationsgesellschaft einsetzen. Martin Dörmann (SPD), wie andere Abgeordnete, die ebenfalls Mitglieder der Enquete-Kommission »Internet und digitale Gesellschaft« sind, schätzte den TAB-Bericht als eine wichtige Ergänzung zur laufenden Arbeit der Enquete-Kommission ein und hielt das Festhalten an einer mediengattungsspezifischen Regulierung für kontraproduktiv. Die Abgeordnete Sylvia Canel (FDP) wies auf das Potenzial der neuen Medien hin, dass man mit ihnen nicht nur empfangen, sondern auch eigene Informationen kommunizieren könne. Dr. Petra Sitte (LINKE) betonte u.a., dass der TAB-Bericht die zeitlich begrenzten Abrufmöglichkeiten (sog. Verweildauerregelung) für Sendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit Recht problematisiere. Dies wurde auch von Tabea Rößner (BÜNDNIS‘90/GRÜNE) unterstützt, die des Weiteren auf die teilweise großen Disparitäten beim Breitbandzugang zwischen städtischen und ländlichen Räumen verwies.

Für den Bundestag und die Arbeit in den Ausschüssen ungewöhnlich schloss sich eine Diskussion an, in der neben den Abgeordneten und den geladenen Experten auch das zahlreich erschiene Publikum einbezogen wurde – unterbrochen durch ein überraschendes Tonsignal zum »Hammelsprung« im Plenum, dem die meisten, aber nicht alle der anwesenden Abgeordneten folgten. Themen dieser lebendigen Diskussion waren u.a. der Bedarf und die Zahlungsbereitschaft für Breitbandanschlüsse, Universaldienstverpflichtung, medienspezifische oder medienübergreifende Regulierungsinstitutionen, die Krise der Zeitungen und die Sicherung der Qualität im Journalismus sowie Netz- und Suchmaschinenneutralität. Die Vorsitzende des für die parlamentarische Technikfolgenabschätzung zuständigen Ausschusses, Ulla Burchardt, schloss die Veranstaltung mit dem Wunsch, der nächste Bundestag möge sich intensiv mit der politischen Auswertung des vorliegenden Berichts befassen und schlug in Fortführung der vorliegenden Studie eine Bearbeitung der Themen »Lage und Perspektiven des Journalismus im Zeitalter des medialen Strukturwandels« sowie »Macht, Medien und Meinungsbildung – Implikationen des medialen Wandels für Demokratie und Gesellschaft« vor.

18.01.2013 

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