Entwicklungspolitische Themen - Herausforderung und Perspektiven für parlamentarische TA
Unter Berücksichtigung der spezifischen Gegebenheiten und Bedürfnisse von Entwicklungsländern widmet sich der TAB-Brief Nr. 42 in seinem Schwerpunkt den Anwendungspotenzialen dreier sehr verschiedener Industrie- und Technikbereiche: der Erdfernerkundung, der Arzneimittelentwicklung durch den pharmazeutischen Sektor und der Landwirtschaft. Es wird der Frage nachgegangen, wie diese Technologien verstärkt dazu beitragen können, die Situation insbesondere in den ärmsten Ländern der Erde zu verbessern und durch welche politischen Weichenstellungen dies gegebenenfalls befördert werden kann.
Seit Jahrzehnten ist die Entwicklungshilfe bzw. -zusammenarbeit zwischen Industrie- und Entwicklungsländern ein wichtiger Aufgabenbereich der Politik, der darauf abzielt, die politische, wirtschaftliche und soziale Situation insbesondere in den ärmsten Ländern der Erde zu verbessern. Der politische Wille, diese Länder auf ihrem Weg aus der Armut zu unterstützen, trifft auf eine nach wie vor bestehende Ungewissheit, mit welchen Maßnahmen und in welcher Art und Weise Entwicklung nachhaltig und effizient befördert werden kann. Vor diesem Hintergrund ist es einerseits naheliegend, dass sich auch die parlamentarische TA mit den entsprechenden Themen befasst. Andererseits stellt sich die Frage, welchen Beitrag eine Analyse einzelner Technikbereiche angesichts der Komplexität und des Umfangs der Herausforderungen leisten kann und wie spezifisch und problemangemessen die Ergebnisse sein können.
Kürzlich haben sowohl der Deutsche Bundestag als auch das Europäische Parlament mehrere TA-Projekte in Auftrag gegeben, die sich mit den Anwendungspotenzialen von drei unterschiedlichen Industrie- und Technikbereichen in Entwicklungsländern befassen. Es handelt sich um ein Ende 2012 abgeschlossenes Projekt zu Anwendungspotenzialen der Erdfernerkundung in Entwicklungsländern, ein derzeit in Bearbeitung befindliches Projekt mit dem Titel »Medikamente für Afrika« sowie mehrere kürzlich abgeschlossene TA-Projekte zur nachhaltigen Intensivierung der Landwirtschaft in Subsahara-Afrika. Die jeweiligen Wirtschafts- und Technikbereiche haben sich in den Ländern des globalen Nordens und Südens unterschiedlich entwickelt, die erforderlichen Technologien sind grundverschieden etabliert und zugänglich. Im Bereich Fernerkundung, in dem es gegenwärtig zunehmend Kommerzialisierungsbestrebungen gibt, werden für aufwendige und kostenintensive Spitzentechnologien angepasste Anwendungs- und Verwertungsmöglichkeiten gesucht. Im pharmazeutischen Sektor liegt eine enorme, aber nicht zahlungskräftige Nachfrage in Entwicklungsländern außerhalb des Fokus kommerzieller FuE-Strukturen. In der Landwirtschaft gilt es, die traditionellen (Lowtech-)Agrarstrukturen zu intensivieren, die die Lebensgrundlage breiter Bevölkerungsschichten in Entwicklungsländern bilden. Ziel der TA-Projekte ist es, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie die Wissens- und Technologieentwicklung in den jeweiligen Wirtschaftsbereichen dahin gehend ausgerichtet werden kann, dass sie auch in den Ländern des globalen Südens einen positiven Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung leistet.
Im ersten Schwerpunktbeitrag skizziert Katrin Gerlinger die Entwicklung und Strukturierung der (satellitenbasierten) Erdfernerkundung, deren Anwendung u.a. im Kontext ökologischer Nachhaltigkeit möglich ist, z.B. bei der Erfassung von Umweltbelastungen und der Kontrolle von Umweltmaßnahmen, der Beobachtung von Landnutzungs- und/oder Biodiversitätsänderungen. Im zweiten Beitrag widmet sie sich der Pharmabranche, die eine Schlüsselposition innehat bei der Bekämpfung von HIV/Aids, Malaria und anderen schweren Krankheiten und explizit eingebunden werden soll, um Entwicklungsländern einen Zugang zu unentbehrlichen Arzneimitteln zu erschwinglichen Preisen zu gewährleisten. Im dritten Schwerpunktbeitrag schreibt Rolf Meyer über die Landwirtschaft in Subsahara-Afrika, die es umfassend und nachhaltig zu intensivieren gilt, wenn sie den erforderlichen Beitrag leisten soll, um bis 2015 den Anteil hungernder Menschen zu halbieren. Die Beiträge des Schwerpunktes zeigen auf, dass ein bloßer Produkt- oder linearer Technologietransfer nicht zielführend bzw. langfristig nachhaltig ist. Denn nicht nur die ökonomischen, sondern auch die politisch-regulativen und die gesellschaftlich-soziokulturellen Bedingungen unterscheiden sich erheblich, nicht nur zwischen Industrie- und Entwicklungsländern und geografischen Regionen, sondern auch zwischen den diversen Ländern des globalen Südens. Es eröffnen sich jedoch unterschiedliche Möglichkeiten zu verstärkter FuE-Kooperation und langfristigem Engagement für einen Kapazitätsaufbau vor Ort. Unterschiedliche Handlungsoptionen für politische Entscheidungsträger bieten sich auch jenseits der klassischen Entwicklungszusammenarbeit, z.B. in den Bereichen Bildung und Forschung oder Wirtschafts- und Technologieentwicklung.
Der TAB-Brief Nr.42 Entwicklungspolitische Themen - Herausforderung und Perspektiven für parlamentarische TA ist wie alle früheren Ausgaben elektronisch verfügbar (TAB-Briefe).
05.08.2013