Einsatz nachwachsender Rohstoffe im Wohnungsbau

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Das Monitoring-Vorhaben "Nachwachsende Rohstoffe" wurde Ende 1995 begonnen. Seine Zielsetzung besteht in der Darstellung von aktuellen und wichtigen wissenschaftlich-technischen Entwicklungen auf dem Gebiet der nachwachsenden Rohstoffe sowie möglichen, damit zusammenhängenden ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Veränderungen. Der erste Sachstandsbericht dieses Monitoring-Vorhabens beschäftigt sich mit der "Verbrennung von Biomasse zur Wärme- und Stromerzeugung" (TAB-Arbeitsbericht Nr. 41), der zweite mit der "Vergasung und Pyrolyse von Biomasse" (TAB-Arbeitsbericht Nr. 49) und der dritte mit dem Thema "Pflanzliche Öle und andere Kraftstoffe aus Pflanzen" (TAB-Arbeitsbericht Nr. 53).

Untersuchungsgegenstand und Zielsetzung

Mit dem TAB-Arbeitsbericht Nr. 61 "Einsatz nachwachsender Rohstoffe im Wohnungsbau" wurde im Juli 1999 der vierte Sachstandsbericht vorgelegt. Der Bericht gibt einen Überblick über den Stand und die Perspektiven des Einsatzes von nachwachsenden Rohstoffen im Wohnungsbau. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf den technischen, ökologischen, ökonomischen und rechtlichen Aspekten der Bereitstellung von Dämmstoffen, die aus heimischen landwirtschaftlichen Kulturpflanzen erzeugt werden können. Im Folgenden werden die wesentlichen Resultate dieses ersten Sachstandsberichtes zur stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe wiedergegeben.

Ergebnisse

Die letzten Jahrzehnte waren im Bauwesen durch die Weiterentwicklung und den zunehmenden Einsatz technisch hergestellter Baustoffe gekennzeichnet. Diese zeichnen sich vielfach durch hohe Funktionalität und Leistungsfähigkeit, gute Handhabbarkeit und Dauerbeständigkeit sowie lange Lebensdauer und niedrige Preise aus. Dies führte dazu, dass der im Wohnungsbau früher sehr verbreitete Einsatz natürlicher Rohstoffe stark zurückgedrängt wurde. Die allgemeine positive Grundeinstellung gegenüber den modernen Produkten hat sich in den vergangenen Jahren etwas gewandelt. Die Bauherren von heute erwarten bei Neubau oder Umbau auch Informationen zu Energie, Ökologie und Gesundheit. Im Unterschied zur bisher oft einseitigen Orientierung auf die Investitionsphase wird dabei zunehmend der vollständige Lebenszyklus der Bauwerke berücksichtigt. Die Bauherren reagieren so auf aktuelle Anforderungen zur Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung auch im Gebäudesektor.

Ein Grund für diese Entwicklung ist die Erkenntnis über das Aufkommen an nicht bzw. kaum wiederverwertbaren Abfällen beim Bauen bzw. späteren Abriss des Wohngebäudes. Entscheidender sind jedoch die Diskussionen über die möglichen gesundheitsbeeinträchtigenden Wirkungen von Baustoffen und -produkten bzw. darin enthaltenen Zusätzen (z.B. Formaldehyd). Diese haben zu einer Sensibilisierung gegenüber chemischen Verbindungen in der Gebäudehülle geführt. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass vor allem im Bereich des Innenausbaus nach natürlichen, gesundheitlich unbedenklichen Baustoffen und Bauprodukten verlangt wird.

Die Palette an nachwachsenden Rohstoffen, die als Baustoffe bzw. Bauhilfsstoffe genutzt werden können, ist groß. Sie reicht von lignocellulose- und faserhaltigen Pflanzen (z.B. Schilfrohr, Flachs, Hanf) über Ölpflanzen (z.B. Öllein, Raps) bis zu Stärkepflanzen (z.B. Kartoffeln) und Färberpflanzen (z.B. Färberwaid). Nachwachsende Rohstoffe sind im Wohnungsbau vielseitig einsetzbar. Sie eignen sich zur Herstellung von Wänden und Bauelementen (z.B. Fenster), zur Dacheindeckung und Bewehrung in Baustoffen, als Dämmstoffe (Wärme-, Schall- und Feuchteschutz), Fußbodenuntergrund oder Bodenbelag, zur Herstellung von Anstrichen und Farben oder als Bauhilfsstoffe (z.B. Schalöle). Sie können als eigenständiger Baustoff, in Verbindung mit anderen Materialien oder als Ausgangsbasis für andere Produkte verwendet werden.

Von quantitativer Bedeutung ist der Einsatz nachwachsender Rohstoffe derzeit nur im Bereich der Wärmedämmung. Der Anteil der Dämmstoffe aus biogenen und anderen alternativen Materialien ist in den vergangenen Jahren langsam, aber kontinuierlich auf 3 bis 5 % des Dämmstoffmarktes angewachsen. Auslöser hierfür sind die Vorgaben der Wärmeschutzverordnung und die Diskussionen über die gesundheitlichen Risiken eines Einsatzes von Mineralwolle-Dämmstoffen. Dämmstoffe aus Flachs, Altpapier oder Schafswolle haben eine gute, mit Mineralwolle vergleichbare Wärmedämmfähigkeit. Sie können die in der Wärmeschutzverordnung geforderten maximalen Wärmedurchgangskoeffizienten (k-Werte) ohne räumlichen Mehrbedarf erreichen. Bei anderen nachwachsenden Dämmstoffen aus gröberen Fasern (z.B. Hanf) sind dafür teilweise höhere Materialdicken oder eine vorhergehende chemisch-technische Aufarbeitung der Fasern erforderlich.

Angesichts der bevorstehenden Verschärfung der Anforderungen an den Wärmeschutz von Bauteilen im Rahmen der geplanten Energieeinsparverordnung kann in den nächsten zehn Jahren mit einem erheblichen Anstieg des Absatzes an Wärmedämmstoffen aus alternativen Materialien gerechnet werden. Der zu erwartende Zuwachs dürfte allerdings in erster Linie den etablierten preisgünstigen Dämmstoffen mit guten Wärmedämmeigenschaften aus Recyclingmaterialien (z.B. Altpapier) sowie forst- und landwirtschaftlichen Produktionsrückständen (z.B. Restholz) zu gute kommen. Pflanzenfasern und andere Dämmstoffe aus speziell angebauten nachwachsenden Rohstoffen werden aufgrund der deutlich höheren Kosten dagegen keinen großen Marktanteil erzielen können.

Trotz des erkennbaren Trends zum kostengünstigen Bauen wächst das Interesse und die Bereitschaft, gesundheitsverträgliche und umweltschonende Baustoffe und -produkte einzusetzen und dafür auch mehr Geld auszugeben. Wer allerdings für alternative Baustoffe und Bauprodukte deutlich mehr bezahlen muss als für konventionelle, dessen Entscheidung orientiert sich dann doch zwangsläufig am Preis. Ökologische Aspekte bleiben dabei auf der Strecke. Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen werden demnach in der Öko-Nische bleiben, wenn es nicht gelingt, diese preisgünstiger anzubieten. Die Kosten für die Wärmedämmung mit Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen werden bestimmt durch die technisch und finanziell aufwendigen Verfahren der Rohstoffverarbeitung, der Dämmstoffherstellung und des Dämmstoffeinbaus. Aber auch die Preise für die Rohstoffe selbst, die zwischen 10 bis 25 % der gesamten Produktionskosten ausmachen, spielen dabei eine Rolle. Da die Rohstoffkosten durch züchterisch-technische Fortschritte nur bedingt gesenkt werden können, dürften die Absatzchancen zumindest für landwirtschaftliche Hauptprodukte (Flachs- und Hanffasern) begrenzt bleiben.

Die Eigenschaften nachwachsender Baustoffe und -produkte, biologisch abbaubar zu sein und ohne starke Veränderung der Wärmeleitfähigkeit große Mengen an Feuchtigkeit aufnehmen und abgeben zu können, gelten als Vorteile. Damit verbunden sind jedoch auch mögliche nutzungstechnische Nachteile. Um die an sie gestellten Anforderungen an Wertbeständigkeit, Langlebigkeit, Feuchteverhalten und Brandschutz zu erfüllen, müssen Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen durch physikalische oder chemische Maßnahmen geschützt werden. Durch den Zusatz an verschiedenen Schutzstoffen (z.B. Borate) kann die Entflammbarkeit und ein vorzeitiger mikrobieller Abbau durch Fäulnis, Schimmelpilzbefall und Schädlingsfraß wirksam verhindert werden. Diese Zusätze können aber den Anspruch biologischer Bau- bzw. Dämmstoffe, insgesamt gesundheits- und umweltverträglicher zu sein als vergleichbare konventionelle Produkte, möglicherweise in Frage stellen. Unklarheit besteht insbesondere über den Einfluss der beigefügten Schutzsubstanzen auf die Verwertbarkeit der Baustoffe und Bauprodukte aus nachwachsenden Rohstoffen nach Beendigung ihrer Nutzungsphase. Hier besteht ein dringender Bedarf an wissenschaftlich fundierten, ganzheitlichen Untersuchungen zum Lebenszyklus der Baustoffe und -produkte aus technischer, ökonomischer und ökologischer Sicht.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass großes Interesse besteht, nachwachsende Rohstoffe im Wohnungsbau einzusetzen, dies bislang jedoch meist aus Kostengründen und infolge von Informationsdefiziten nur sporadisch erfolgt. Bei einigen Möglichkeiten der Verwertung von nachwachsenden Rohstoffen lassen sich durchaus Ansatzpunkte für eine breitere Verwendung im Wohnungsbau annehmen. Die Anzahl an Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen und anderen biogenen Materialien ist insbesondere im Bereich der Wärmedämmung fast unüberschaubar. Dies liegt zum einen an dem breiten Angebot an unterschiedlichsten Rohstoffquellen, die sich zur Herstellung von alternativen Baustoffen und Bauprodukten eignen. Zum anderen ist auch die Palette an Anwendungsmöglichkeiten und Einsatzgebieten sehr umfangreich.

Architekten, Bauingenieure und Bauhandwerker haben einen entscheidenden Einfluss auf die Produktauswahl. Sie werden eine Produktumstellung auf breiter Basis erst dann vollziehen, wenn sie überzeugt sind, dass die Neuen spürbare Vorteile - beispielsweise bei den Kosten oder in der Handhabung - mit sich bringen. Deshalb erscheint es wichtig, die Möglichkeiten vielversprechender Baustoffe und Bauprodukte aus nachwachsenden Rohstoffen zu demonstrieren und ihren Einsatz durch entsprechende Verwertungsstrategien zu fördern. Das bei den Entscheidungsträgern vielfach bestehende Informationsdefizit auf dem Gebiet der nachwachsenden Baustoffe könnte zum Beispiel durch die Bereitstellung einer Produktdatenbank im Internet verringert werden. Auch einfache, verständliche Entscheidungshilfen (z.B. Ökozeichen) können zur Bewusstseinsbildung und zur Marktöffnung für nachwachsende Baustoffe beitragen.

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