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Krisenradar – Resilienz von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft durch Krisenvorhersage stärken

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Thematischer Hintergrund

Die Coronapandemie zeigt die Verletzlichkeit und Krisenanfälligkeit komplexer Gesellschaften, die global hoch interdependent miteinander verflochten sind. Moderne Gesellschaften haben sich als weniger stabil und verwundbarer gezeigt, als von vielen angenommen wurde. Weitere Krisen dieses Ausmaßes sind auch in Zukunft nicht ausgeschlossen. Finanzcrashs, globale Migrationsbewegungen, ein erstarkter Nationalismus und Populismus, Klimawandel und Ressourcenverknappung sind Entwicklungen und Ereignisse, die in ihrem synergistischen Zusammenwirken im Rahmen der gesellschaftlichen Entwicklungspfade zu Zuspitzungen bislang unbekannter Art führen können. Sowohl für die Verhinderung als auch für die Bewältigung von tiefgreifenden Krisen wäre es von zentraler Bedeutung, dass Anzeichen frühzeitig identifiziert werden. Je zeitiger eine krisenhafte Entwicklung erkannt werden kann, desto eher lassen sich präventive und reaktive Maßnahmen einleiten. Neben der Früherkennung von Bedrohungen ist das Wissen über besondere Verletzbarkeiten bzw. krisenanfällige Bereiche, sogenannte Vulnerabilitäten, eine fundamentale Voraussetzung, um Strategien zur Steigerung der Resilienz von Gesellschaft, Wirtschaft und Politik entwickeln zu können.

Obwohl es an Institutionen, die Instrumente zur Früherkennung anwenden, nicht mangelt (international z. B. WHO, UN, OECD, Weltbank; national z. B. Auswärtiges Amt, Planungsamt der Bundeswehr, Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Bundesinstitut für Risikobewertung, Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik), werden die gewonnenen Erkenntnisse nicht ausreichend genutzt, vernetzt und in politische Prozesse übersetzt und integriert. Bis dato mangelt es bei den Risikoanalysen häufig an der notwendigen Weitsicht. Krisen und Risiken werden nicht systemisch gesehen und gedacht, sondern ganz überwiegend als Ausnahmezustand, dem akut – und zeitlich begrenzt – begegnet werden muss.

Das Bemühen, potenzielle Risiken und Krisen frühzeitig zu erkennen und in die strategische Entscheidungsfindung von Politik, Wirtschaft und zivilgesellschaftlichen Institutionen einfließen zu lassen, ist ganz offensichtlich mit großen Schwierigkeiten konfrontiert. Ein grundsätzliches Problem ist, dass auch aus einer Fülle von Daten und Einzelinformationen nicht notwendigerweise Orientierungswissen für Politik und Gesellschaft über die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß möglicher Krisen abgeleitet werden kann. Zusätzlich wird durch die Globalisierung und ihre Interdependenzen die Prognose zukünftiger Krisen (Verläufe, Eintrittswahrscheinlichkeiten) immer schwieriger. Um künftig besser auf das Auftreten von globalen Schocks vorbereitet zu sein, ist ein permanentes und globales Frühwarnsystem notwendig, das mögliche Risiken und Gefahren frühzeitig erkennt und damit ein vorausschauendes Krisen- und Risikomanagement ermöglicht. Das übergeordnete Ziel aller Maßnahmen ist letztlich, die Vitalität der Gesellschaft aufrechtzuerhalten und sich negativ auswirkende Extremlagen zu vermeiden.

Ziel und Vorgehensweise

Im Rahmen des TA-Projekts soll untersucht werden, wie ein kontinuierliches vorausschauendes Krisenradar gestaltet und institutionell – auch international – verankert werden müsste, um ein frühzeitiges Krisen- und Risikomanagement zu ermöglichen. Hieraus resultieren zwei Leitfragen: Welche Defizite bestehen bei der Früherkennung von systemischen Bedrohungen? Welche Instrumente, Einrichtungen und Konsultationsmechanismen im politischen Raum müssten verbessert oder erst noch geschaffen werden, um eine zügige, umfassende und nachhaltige Reaktion auf krisenhafte Ereignisse zu gewährleisten? Das TA-Projekt soll hierfür insgesamt vier Module umfassen:

  • Modul 1: Lessons Learnt: Reallabor Corona – Erfahrungen mit Frühwarnsystemen in der aktuellen Pandemiekrise
  • Modul 2: Zukünftige Krisen: prospektive Analyse von Gefahren mit hohem Krisenpotenzial und Vulnerabilitätsanalysen in ausgewählten gesellschaftlichen Teilsystemen
  • Modul 3: Institutionelle Verankerungen der Früherkennung von systemischen Bedrohungen
  • Modul 4: Resilienzförderung: neue Perspektiven für eine transformative Resilienz

Stand der Projektbearbeitung

Als Informationsbasis für das Projekt wurden vier Gutachten vergeben. Im Rahmen der Gutachten wurden zum einen die nationalen und die internationalen Erfahrungen vor allem politischer Einrichtungen mit Frühwarnsystemen in der aktuellen Pandemiekrise aufgearbeitet, zum anderen wurden Gefahren mit hohem Krisenpotenzial für Deutschland prospektiv und kategorisierend analysiert. Außerdem wird eine Vulnerabilitätsanalyse des Gesundheitssystems durchgeführt, die auf die systemischen Risiken Klimawandel, Pandemien sowie Cyberkriminalität fokussiert.

Weitere Einblicke in die Projektbearbeitung gibt es im TABlog-Beitrag "Wie kann proaktives Management multipler Krisen gelingen?" 

Der vom TAB verfassste Abschlussbericht befindet sich derzeit im Prozess der Abnahme durch die Berichterstattergruppe TA.

Veranstaltung

Sharepic zum Fachgespräch Krisenresilien am 22.06.22. im Bundestag natanaelginting/freepik
Fachgespräch zur Krisenresilienz am 22.06.2022

In einem öffentlichen Fachgespräch am 22. Juni 2022 werden die Zwischenergebnisse des Projekts im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Erfahrungen mit Frühwarnsystemen in der aktuellen Coronapandemie vorgestellt und gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft und Mitgliedern des Deutschen Bundestages im Hinblick auf neue Perspektiven für die Früherkennung zukünftiger Bedrohungen und potenzieller Krisen diskutiert.

Publikation


Wie schätzen Bürger/innen die Coronapandemie und ihre Folgen ein? Ergebnisse einer Repräsentativbefragung
Oertel, B.; Kahlisch, C.; Sonk, M.; Evers-Wölk, M.
2022. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) VolltextVolltext der Publikation als PDF-Dokument