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Neue elektronische Medien und Suchtverhalten

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Gegenstand und Ziel der Untersuchung

In den vergangenen Jahren ist die Nutzungsdauer elektronischer Medien stark angestiegen, zudem werden die Nutzer immer jünger – heute aufwachsende Kinder und Jugendliche kommen in allen ihren Lebensbereichen, sowohl in ihrem familiären und sozialen Umfeld als auch in Bildungseinrichtungen, mit elektronischen Medien umfassend in Kontakt. Damit einhergehend ist ein deutlicher Anstieg des gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Interesses rund um das Phänomen »Neue elektronische Medien und Suchtverhalten« zu beobachten. Die Frage, was Mediensucht ist, wird indes bislang nicht eindeutig beantwortet. Das Verständnis, was im Zuge der fortgeschrittenen Mediatisierung der Gesellschaft »normales« Mediennutzungsverhalten ist, geht unter anderem zwischen den Generationen deutlich auseinander und führt innerhalb von Familien, aber auch in Schulen zu Konflikten.

Vor diesem Hintergrund widmete sich das Projekt u.a. folgenden Leitfragen: Inwiefern lässt sich Mediensucht im Zusammenhang mit elektronischen Medien in ihren Anlässen, Merkmalen und Folgen differenzieren und typisieren? Welche äußeren oder verhaltensabhängigen Risiken und Belastungen können im Hinblick auf spezifische Mediensuchtvermeidung bzw. -bewältigung gesenkt werden? Welche persönlichen oder gesellschaftlich-kollektiven Ressourcen können im Hinblick auf spezifische Suchtvermeidung bzw. Suchtbewältigung gestärkt werden? Welche politische Relevanz ergibt sich aus den Erkenntnissen? Ziel der Studie waren die Analyse der wissenschaftlichen Befunde zu Umfang und Folgen suchtartiger Mediennutzung, die Auseinandersetzung mit den verschiedenen wissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen Anliegen sowie die Beschreibung politischer Handlungsmöglichkeiten.

Zentrale Ergebnisse

Die Anzahl der Publikationen rund um das Phänomen »Neue elektronische Medien und Suchtverhalten« ist in den vergangenen Jahren sprunghaft gestiegen. Sowohl in den wissenschaftlichen Publikationen als auch im gesellschaftlichen Diskurs gibt es zum Begriff der Mediensucht eine Vielfalt von Definitionen, Bedeutungen und Inhalten, darunter medizinische und psychologische Krankheitskonzepte. Dementsprechend zeigen die wissenschaftlichen Befunde uneinheitliche Ergebnisse. So sind die geschätzten Prävalenzraten unter Anwendung verschiedener – und nicht immer transparent erläuterter – Definitionen und Messverfahren in den jeweils untersuchten Stichproben sehr unterschiedlich. In wissenschaftlichen Studien wird zum einen darauf verwiesen, dass der Fokus auf den im Vergleich zur Mediensucht differenzierteren Begriff der Internetsucht gelegt werden sollte. Zum anderen sollten verschiedene Formen spezifischer Internetsucht unterschieden werden, z. B. Onlinespielsucht, Social-Network-Sucht, Onlinekaufsucht, Onlinesexsucht und Onlineglücksspielsucht.

Das Attraktivitäts- und Bindungspotenzial des Internets wird mit den Eigenschaften der Zugänglichkeit, Erschwinglichkeit und Anonymität der Nutzung beschrieben. Zudem wird der »Persistenz von Onlinewelten« eine hohe Bindungskraft zugesprochen, die die Entwicklung einer Sucht begünstigen kann: Von den Nutzern wird eine hohe bzw. dauernde Präsenz eingefordert und ein hohes Maß an Immersion erzeugt. Dies bedeutet, dass sich die Wahrnehmung der eigenen Person in der realen Welt vermindert und die Identifikation mit einer Person in der virtuellen Welt gleichzeitig vergrößert.

Die wissenschaftliche Erkenntnislage im Themenfeld »Neue elektronische Medien und Suchtverhalten« verweist auf vielfältigen Forschungsbedarf. Die verfügbaren Studien sind in der Regel explorativ und zeitpunktbezogen bzw. wenig auf eine langfristige und zeitraumbezogene Analyse der Wandlungsprozesse ausgerichtet. Insbesondere fehlen Evaluationsstudien zu Therapien und Interventionsansätzen im Kontext von Mediensucht sowie abgestimmte Bewertungs- und Diagnoseinstrumente.

Weiter erscheint geboten, einen Diskurs zur Entwicklung einer gesellschaftlich und wissenschaftlich getragenen Wertebasis zu initiieren und zu klären, wo die Schwellenwerte zwischen Normalität und Sucht liegen. Dies ist u.a. deshalb wichtig, weil die intensive Mediennutzung zunehmend zum Normalverhalten zählt und z.B. aus beruflichen Gründen oft sogar erwartet wird.

Aufgrund der großen Bedeutung des Themas findet die Präsentation und Diskussion der Projektergebnisse im Rahmen einer öffentlichen Sitzung des Forschungsausschusses im Deutschen Bundestag am 9. Juni 2016 statt.

Veranstaltung

Im Rahmen des öffentlichen Fachgespräch am 9. Juni 2016 im Bundestag wurden die Ergebnisse der Untersuchung präsentiert und mit Abgeordneten des Deutschen Bundestages, Sachverständigen und der interessierten Öffentlichkeit diskutiert.

Publikationen


Im Bundestag