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Akademische Spin-offs in Ost- und Westdeutschland und ihre Erfolgsbedingungen

  • Projektteam:

    Joachim Hemer (Projektleitung), Michael Schleinkofer, Maximilian Göthner

  • Themenfeld:

    Digitale Gesellschaft und Wirtschaft

  • Themeninitiative:

    Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

  • Analyseansatz:

    Politik-Benchmarking

  • Starttermin:

    2005

  • Endtermin:

    2006

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Gewerbliche Ausgründungen von Hochschulabsolventen oder Wissenschaftlern direkt aus Hochschulen oder außeruniversitären Forschungseinrichtungen gelten aus innovations- und strukturpolitischer Sicht vielfach als Hoffnungsträger: Von diesen »akademischen Spin-offs« erwartet man schnelles Wachstum, positive Beiträge zum Strukturwandel, starke Impulse beim Technologietransfer und die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Gegenstand und Ziel der Untersuchung

Ein Politikbenchmarking des TAB sollte die Frage beantworten, ob diese Erwartungen erfüllt werden und welche Bedingungen fördernd oder hemmend auf den Erfolg von Gründungen wirken. Ebenso wurden die Wirkung der unterschiedlichen Strategien und Politiken der Forschungsorganisationen in Bezug auf Unternehmensgründungen untersucht, und es wurde den Unterschieden zwischen West- und Ostdeutschland nachgegangen. Aus einer ausführlichen Analyse sollten dann Hinweise auf geeignete und erfolgversprechende Förderinstrumente abgeleitet werden.

Ergebnisse

Als empirische Basis des Politikbenchmarking-Berichts des TAB wurden bei akademischen Spin-offs 39 explorative Fallstudien mit Tiefeninterviews sowie eine schriftliche Umfrage bei etwa 500 weiteren Ausgründungen aus verschiedenen wissenschaftlichen Organisationen durchgeführt, die einen Rücklauf von 71 verwertbaren Antworten erbrachte. Insgesamt stand mit 109 verwertbaren Fällen eine durchaus belastbare Menge von Datensätzen zur Auswertung zur Verfügung. Im Folgenden werden einige ausgewählte Ergebnisse des Politikbenchmarking zur Frage der Erfolgsfaktoren vorgestellt.

Qualifikation und Berufsberatung

Bei den insgesamt 109 in der Umfrage und den Fallstudien erfassten Unternehmen hatten von 393 beteiligten Personen 352 einen Hochschulabschluss; 223 waren promoviert oder habilitiert. Damit hatten 41 Personen aus den Gründerteams keinen akademischen Abschluss. Der Anteil der Gründer mit Hochschulabschlüssen, bezogen auf die Zahl aller ursprünglichen Gründer, ist in Ost und West gleich (89 %). Auffällige Ost-West-Unterschiede zeigen sich nur beim überdurchschnittlichen Anteil der Promotionen und der Ingenieurwissenschaften bei ostdeutschen Gründern.

In 74 Fällen sind in den Gründerteams ausschließlich die Disziplinen Natur- und/oder Ingenieurwissenschaften vertreten, während sich in acht Fällen das Team nur aus nichttechnischen Disziplinen zusammensetzt (z.B. Wirtschafts-, Sozial-, Rechts- und Kulturwissenschaften). 25 Gründerteams sind hingegen gemischt besetzt.

Startfinanzierung

Ostdeutsche Gründer nutzen zu 52 % Förderprogramme, die eine Existenzgründungsförderung beinhalten (z.B. FUTOUR, EXIST, Pro-Inno und InnoWatt sowie Landesprogramme). Demgegenüber nutzt nur ein Drittel der westdeutschen Gründer Gründungsförderungsprogramme. Kreditfinanzierung wird im Osten stärker eingesetzt als im Westen. Allerdings ist der Anteil der Kreditinstitute an der Kreditfinanzierung junger akademischer Ausgründungen steigerungswürdig. Beteiligungskapital spielt je nach Ausprägung eine unterschiedliche Rolle in Ost und West. Öffentlich (teil)gefördertes Beteiligungskapital spielt in Ostdeutschland eine größere Rolle als in Westdeutschland, wohingegen das Verhältnis bei privatem Beteiligungskapital umgekehrt ist.

Bemerkenswert ist, dass in beiden Landesteilen über 25 % der Unternehmen schon ab Gründung einen merklichen Anteil der Finanzierung der ersten Monate durch Umsatzerlöse bzw. Cashflow stützen können, wenn auch oft auf niedrigem Niveau. Die Gründer schöpfen also ihre Marktchancen so früh wie möglich aus und sparen damit Kapital.

Gründerteams und deren Zusammensetzung

Im ostdeutschen (bzw. westdeutschen) Teilsample gründeten 132 (261) ursprüngliche Gründerpersonen 32 (77) Unternehmen, d.h. die Teamgröße war im Mittel 4,1 (3,4) Personen. In einer Reihe von Unternehmen sind bzw. waren einige Gründer aus dem Team von Anfang an nur nebenamtlich tätig, insbesondere die mitgründenden Institutsleiter und Lehrstuhlinhaber. Auch frühere Arbeitskollegen aus dem Forschungsteam am Forschungsinstitut oder am Lehrstuhl haben den Wechsel in das Spin-off nicht immer mitvollzogen. Reduziert auf die letztendlich tätigen hauptamtlichen Gründer war die durchschnittliche Teamgröße nur noch halb so groß, im Osten nur noch 2,1 und im Westen nur 1,8. Einzelgründungen sind in beiden Samples selten. In der Umfragestichprobe sind Gründungsteams von zwei Personen am häufigsten, in der Fallstudiengruppe solche von drei Gründern. Gründerteams von mehr als fünf Personen, die wegen des damit steigenden Konfliktpotenzials nachteilig für die Unternehmensentwicklung einzuschätzen sind, treten nur mit ca. 13 % bzw. 8 % auf.

In 20 % der Gründungsteams sind Frauen vertreten (im Westen 18 %, im Osten 24 %), Zahlen, die zu der Hoffnung Anlass geben, dass sich die Gründungsbereitschaft unter den Wissenschaftlerinnen belebt. Es ist allerdings kein Fall bekannt geworden, bei dem offensichtlich eine Frau die Initiatorin und die treibende Kraft der Gründung war. Gleichwohl übernahmen Frauen oft Geschäftsführungsaufgaben.

Art der Innovation und Stellung in der Wertschöpfungskette

Die vorgefundenen Geschäftsmodelle der Fallstudienunternehmen wurden vier einfachen Basistypen zugeordnet: Produktinnovationen, Verfahrens- bzw. Prozessinnovationen,

Softwareprodukte und (innovative) Dienstleistungen. Zu Letzteren werden auch die Auftragsentwicklungen gezählt, die letztlich auch zu Produkten, Verfahren oder Software führen sollen. Produkt- und Verfahrensinnovationen dominieren vor der Erbringung von Dienstleistungen. Unter den Letzteren befinden sich aber nicht nur innovative Dienstleistungen, die den Kern des Businessmodells bilden, sondern auch klassische produktbegleitende Dienstleistungen. Die erfolgreichen bzw. erfolgversprechenden Unternehmen sind am häufigsten bei Verfahrensinnovationen und Software zu finden, dicht gefolgt von Dienstleistungen und Produktinnovationen.

Fragt man nach der Stellung der Wertschöpfungskette und ordnet die 39 Unternehmen wenigen Kategorien zu, ergibt sich, dass die Gründungen stark auf Investitionsgüter (einschließlich Zulieferung) ausgerichtet sind. Die Erfolgschancen waren bei Systemkomponenten und Zulieferteilen in der Fallstudiengruppe deutlich am höchsten, vor Dienstleistungen für private und öffentliche Haushalte und vor Dienstleistungen für Unternehmen. Den größten Anteil erfolgloser oder noch in kritischem Zustand befindlicher Gründungen bietet die Kategorie Konsumgüter, vor Endprodukten von Investitionsgütern. Die Dienstleistungen für private und öffentliche Haushalte sind, gemessen an ihrem hohen Chancenpotenzial, etwas unterrepräsentiert. Hier nutzen Gründer Geschäftsmöglichkeiten nicht optimal aus; auf diesen Sachverhalt sollte die Gründungsförderung stärker achten.

Die Art der angebotenen Leistungen oder Produkte (Art der Innovationen) der jungen Unternehmen korreliert mit der Größe und regionalen Reichweite der jeweils bedienten Zielmärkte. Es ergibt sich dabei folgendes Bild: Auf beschränkten Märkten bewegen sich die meisten Fallstudienunternehmen, wobei zwei Drittel zu den erfolgreichen oder erfolgversprechenden Unternehmen zählen. Zehn von 13 Unternehmen sind erfolgreich auch auf großen Märkten tätig, darunter Märkte auch und gerade mit industriellen Kunden. Das Bedienen kleiner Märkte oder gar von Einzelkunden erscheint als weniger vielversprechend.

Unterstützung durch die Mutterorganisation

Bei den Ausgründungen aus Hochschulen und außeruniversitären FuE-Einrichtungen wird von den Gründern die Nutzung von Hochschulinfrastruktur (Büros, Labors, Technikum, Maschinen und Anlagen) und Hochschulpersonal (hauptsächlich studentische Hilfen, Sekretariats- und Laborpersonal) an prominenter Stelle genannt. Die nächsthäufigen Unterstützungsangebote der Muttereinrichtungen sind bei den Hochschulen die Verwendung ihrer FuE-Ergebnisse und der allgemein erleichterte Zugang zu Wissen aller Art. Dies rangiert bei den außeruniversitären FuE-Einrichtungen an sechster bzw. dritter Stelle. Die Gründer aus außeruniversitären FuE-Einrichtungen nennen die Nutzung der Industrie- bzw. Kundenkontakte der Mutterinstitute für den Aufbau des Kontaktnetzes des Spin-offs an erster Stelle; bei den Hochschulen nimmt dieser Aspekt erst den fünften Platz ein.

Wichtiger für die Gründer ist bei beiden Typen von Mutterinstituten ihre Rolle als Impulsgeber. Diese Rolle ist zumeist an einzelne Personen des nahen Arbeitsumfeldes gebunden, oft an die Institutsleiter, Abteilungsleiter oder Projektleiter. Von ihrer persönlichen Einstellung zu Technologietransfer und Unternehmensgründungen zwecks Verwertung von Ergebnissen aus ihrem Forschungskontext hängt es ab, ob sie qualifizierten Mitarbeitern die Option einer Ausgründung schmackhaft machen und ob sie sie mit attraktiven Projekten, FuE-Ergebnissen oder Patenten bzw. Lizenzen ausstatten und günstige Ausstiegsszenarien anbieten. Die Qualität und Ernsthaftigkeit dieses Angebotsbündels sowie das persönliche Engagement dieser Vorgesetzten sind die Schlüsselfaktoren für die Motivation und Zusammensetzung des Gründerteams und letztlich für das Zustandekommen einer tragfähigen und chancenreichen Gründung. Eng damit verbunden ist auch die Beratung, die die Gründer von ihren Vorgesetzten oder dafür spezialisierten Stellen der Mutterorganisation erfahren. Die außeruniversitären FuE-Einrichtungen bieten ihren Ausgründungen häufig mittelfristige Kooperationsvereinbarungen und die Durchführung gemeinsamer Projekte an. Auch gegen- bzw. wechselseitige Vergabe von Unteraufträgen kann darunter fallen. Diese beiden Aspekte finden sich bei Universitäten weniger häufig, möglicherweise, weil bei ihnen die Ressourcen bzw. Aktionsspielräume geringer sind (weniger Drittmittelaufträge, die eine autonome Auftragsvergabe möglich machen). Erwähnenswert ist unter den angebotenen und genutzten Unterstützungsleistungen auch die Überlassung von Lizenzen oder gar Patenten. Dieses Anreizinstrument wird in den beiden Samples allerdings bei Hochschulausgründungen nur zu knapp 22 % genutzt. Bei außeruniversitären Einrichtungen ist die Nutzungsquote immerhin etwa 32 %. Angesichts der Bedeutung, die die Frage der Verwertung und des Transfers von gewerblich schützbaren Ergebnissen der öffentlichen Forschung in der öffentlichen Debatte hat, sind diese Zahlen eher ernüchternd.

Standortfaktoren

Die Gründer wurden sowohl in der schriftlichen Umfrage, als auch in den Fallstudien gebeten, Faktoren zu beurteilen, die für ihre ursprüngliche Standortentscheidung von Bedeutung waren. Bemerkenswerterweise rangiert in beiden Landesteilen das Arbeitsmarktargument »Verfügbarkeit qualifizierten Personals« in der Durchschnittsbewertung ganz oben, vor »Nähe zu möglichen FuE-Kooperationspartnern« und »Nähe zum Mutterinstitut«. Hochrangig sind auch die individuellen, persönlichen Kriterien wie »Nähe zur Familie und zu Freunden«, was die Stärke der sozialen Bindungen bestätigt und die (subjektiv empfundene) »Lebensqualität der Region«. Harte Standortfaktoren wie gutes Förderangebot, hervorragende Verkehrsinfrastruktur, gründerfreundliche Kommunalverwaltung und andere folgen erst mit hinteren Rangplätzen.

Diese Bewertungen suggerieren eine klare und scheinbar rationale Präferenzstruktur. Die persönlichen Interviews in den Fallstudien machten jedoch deutlich, dass die Standortentscheidung fast immer sehr einfach war: Man blieb, wo man war, also am bisherigen Arbeitsstandort und damit in der Nähe des Mutterinstituts und in der Nähe zum privaten Umfeld.

Marktreife des Transferobjekts

In der Gesamtschau ergibt der empirische Befund zur Marktreife der Transferprojekte folgendes Bild: Es kann ein ansehnlicher Anteil marktnaher Transferprojekte (bzw. -objekte) konstatiert werden (Prototypen eingeschlossen), den sowohl die Hochschulen, als auch die außeruniversitären Mutterorganisationen ihren Ausgründern mitgeben. Es gibt aber auch einen  merklichen Anteil noch nicht marktnaher Entwicklungsergebnisse. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, die Ausgründungsaktivitäten zur Vervollständigung der Wertschöpfungskette weiter zu fördern.

Unternehmensstrategische Bedeutung der transferierten FuE-Ergebnisse

Die befragten Unternehmen bewerteten die strategische, d.h. langfristige Bedeutung der Transferobjekte für die Unternehmensentwicklung wie folgt:

  • In Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen wurden die »Transferobjekte« mit 56 % bzw. 58 % gleichermaßen als wichtig bis sehr wichtig angesehen.
  • Der Anteil von insgesamt 25 % der Antworten mit der Einschätzung »weniger bis nicht wichtig« deutet darauf hin, dass sich die Gründer – angesichts veränderter marktlicher oder technologischer Rahmenbedingungen – anderweitig orientiert haben.

Es ist die Regel, dass junge Unternehmen nach ihrem »Gründungsprodukt« weitere Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen entwickeln, entweder, um damit zu diversifizieren oder ein wenig erfolgreiches Gründungsprodukt abzulösen. Daneben gibt es nicht wenige Spinoffs, bei denen das Gründungsprodukt ohne Zutun der Mutterorganisation entstanden war oder bei denen von Beginn an eine zum Transferprojekt parallele unabhängige Produktentwicklung stattgefunden hatte. Die Befragung ergab hierzu, dass die nachfolgenden oder parallel entstandenen Innovationen insgesamt zu 84 % als wichtig bis sehr wichtig eingestuft werden, somit also im Schnitt für die nachhaltige Unternehmensentwicklung eine größere Bedeutung haben als das Gründungsprodukt, das zu knapp 70 % als wichtig bis sehr wichtig eingeordnet wurde. Die Fähigkeit, eine zusätzliche Produktentwicklung »ohne Zutun« der Mutterorganisation zu entwickeln, ist auch ein Indikator für Innovationsfähigkeit und Emanzipation vom Mutterinstitut und damit eine Bewährungsprobe für Autonomie am Markt.

Förderinstrumente

In West- wie Ostdeutschland wurden die vorhandenen Förderinstrumente in bescheidenem Maße in Anspruch genommen, im Osten deutlich mehr als im Westen. In Ostdeutschland haben die dort verfügbaren (früheren) Förderprogramme das Entstehen und Überleben vieler Gründungen erst möglich gemacht. Andererseits entsteht der Eindruck, dass solch relativ leicht einzuwerbende Förderung auf der individuellen Ebene zu einem Nachlassen der unternehmerischen Anstrengungen geführt hat. Insgesamt scheint angesichts der relativ geringen Nutzung von Existenzgründungsförderung die Marktorientierung der Gründer im Westen ausgeprägter zu sein. Dort wurde mehr Privatkapital eingesetzt, und dort fanden sich auch alle erfolgreichen Ausgründungen des Samples.

Thesen zur Förderung

Abschließend werden thesenartig Vorschläge für neue Förderansätze zur Diskussion gestellt:

  • bei den Beantragungs- und Bewilligungsverfahren von Förderprogrammen gründlicher das Vorhanden - sein von kaufmännischen Kenntnissen überprüfen;
  • Gründungswillige vor der Förderbewilligung vermittels geförderter Qualifizierungsangebote schulen;
  • gründungswilligen Wissenschaftlern erfahrene Kaufleute als Geschäftsführer des neuen Unternehmens zur Seite stellen;
  • Risikominderungsmaßnahmen ergreifen zur Erleichterung der Kreditentscheidung der Kreditinstitute, wie Risikomanagementtools in den Unternehmen, Versicherungstools zur Deckung technischer und Marktrisiken oder Gutachtensysteme zur Verringerung der Unsicherheiten über Innovationsvorhaben;
  • Förderung mit mehr Eigenbeteiligung der Gründer koppeln; mehr Eigenkapitalanteil in der Gründungsfinanzierung zur Bedingung machen;
  • mehr auf »harte« Darlehensförderung setzen, um das unternehmerische Engagement und die Selbstverpflichtung der Gründer zu steigern; innovationsorientiertes öffentliches Beschaffungsverhalten;
  • Maßnahmen zur Verbesserung des Verständnisses für die Karriereoption »Selbständigkeit« in wissenschaftlichen Einrichtungen verstärken.

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