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Innovationspotenziale von Bakteriophagen

Gutachter/innen im Rahmen der Innovationsanalyse »Bakteriophagen in Medizin, Land- und Lebensmittelwirtschaft – Anwendungsperspektiven, Innovations- und Regulierungsfragen« gesucht
Bakteriophage an Zelleandreus/123rf.com

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Thematischer Hintergrund

Viren, die bestimmte Bakterien gezielt angreifen, sogenannte Bakteriophagen (kurz Phagen), wurden in den 1910er Jahren erstmalig beschrieben und bald danach als therapeutische Option zur Bekämpfung bakterieller Infektionen erforscht und entwickelt. Nach der Entdeckung der Antibiotika (einzelne chemische Verbindungen mit antibakterieller Wirkung, wie Penicillin) und ihrem breiten Einsatz wurden Phagen seit den 1940er Jahren praktisch nur noch in Ländern der damaligen Sowjetunion (vor allem Russland und Georgien) sowie in Polen zur Behandlung bakteriell verursachter Erkrankungen beim Menschen genutzt.

Als möglicher Lösungsansatz für die zunehmende Problematik antibiotikaresistenter pathogener Bakterien werden Phagen jedoch seit einiger Zeit weltweit stärker in den Blick genommen. Mittlerweile wurden Heilversuche mit Bakteriophagen auch in einigen westlichen Ländern, wie Belgien, Frankreich und den USA, erleichtert. Darüber hinaus werden in verschiedenen Ländern in Europa (Belgien, Frankreich, Großbritannien, Schweiz), klinische Studien zur Behandlung von Infektionen mit antibiotikaresistenten Bakterien durchgeführt. Dabei werden sowohl einzelne Phagenisolate als auch Kombinationen verschiedener Phagen (Phagencocktails) sowie isolierte Phagenproteine untersucht.

Für die Land- und Lebensmittelwirtschaft werden Bakteriophagen ebenfalls erforscht und vereinzelt bereits kommerziell vermarktet: gegen bakterielle Pflanzenkrankheiten, zur Gesunderhaltung bzw. Behandlung von Geflügel, Rindern oder Bienen sowie zur Kontrolle von pathogenen Bakterien, wie Listerien, Salmonellen und EHEC, auf Fleisch-, Fisch- und in Milchprodukten.

Zu weiteren Anwendungsoptionen am Menschen gehört die Nutzung als hochempfindliche Nachweismethode für bakterielle Infektionen. Darüber hinaus könnten Phagen für therapeutische oder auch präventive Interventionen in das Darmmikrobiom (das komplexe, aus verschiedenen Bakterien und deren jeweiligen Phagenarten sowie Pilzen bestehende Ökosystem im Darm), das eine wichtige Rolle bei verschiedenen Krankheiten spielt, entwickelt und eingesetzt werden. Neben der großen Vielfalt natürlich vorkommender Bakteriophagen können sie durch gezielte genetische Veränderungen für verschiedene Anwendungen mit neuen Eigenschaften versehen oder optimiert werden. Eine erste klinische Studie zur Evaluierung eines mittels des CRISPR/Cas-Systems genetisch modifizierten Bakteriophagen, der Harnwegsinfektionen bekämpfen soll, wurde kürzlich in den USA begonnen.

Angesichts zunehmender Forschungs-, Entwicklungs- und Vermarktungsaktivitäten von phagenbasierten Anwendungen erscheint eine Untersuchung des Innovationspotenzials sowie von möglichen Sicherheits- und Regulierungsfragen von großer forschungspolitischer Relevanz. Umfassendere politikorientierte Ausarbeitungen zum Thema scheint es bislang nicht zu geben.

 

Leistungsbeschreibung der zu vergebenden Gutachten

Das Projekt des TAB sieht eine breite, aber konzentrierte Analyse von Chancen, Risiken und möglichen Förder- und Regelungsansätzen des Einsatzes von Bakteriophagen in Medizin, Land- und Lebensmittelwirtschaft vor. Ziel ist die Erarbeitung einer Orientierungshilfe für politische Mandatsträger zur Beschreibung der Innovationspotenziale vor dem Hintergrund sich abzeichnender Regulierungsfragen im Gesundheits-, Verbraucher- und Umweltschutz. Die Analyse soll sowohl hinsichtlich der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten sowie der innovationspolitischen Rahmenbedingungen als auch hinsichtlich der gesetzlichen Regulierung in vergleichender internationaler Perspektive erfolgen.

Als Informationsbasis sollen zwei Gutachten zum Stand von Forschung, Entwicklung und Anwendung, zu Sicherheits- und Regulierungsfragen sowie zu bestehenden Hemmnissen (und ihrer möglichen Überwindung) vergeben werden – eines zum Bereich Medizin, eines zur Land- und Lebensmittelwirtschaft.

Eine innovationspolitische bzw. konkret betriebswirtschaftliche Problematik besteht hinsichtlich der Patentierbarkeit phagenbasierter Anwendungen bzw. der Reichweite des erreichbaren Patentschutzes, solange diese lediglich auf Standardprozeduren zur Isolierung von Phagen(cocktails) und nicht auf definierbaren Erfindungen oder Verfahrensinnovationen beruhen. Daher haben alternative Anreiz- und Innovationskonzepte (u. a. hinsichtlich der möglichen Rolle von Open-Access- und Open-Source-Ansätzen) für eine gesellschaftlich wünschenswerte Förderung der Erforschung und Entwicklung von phagenbasierten Anwendungen eine besondere Bedeutung.

Sowohl hinsichtlich des geistigen Eigentumsschutzes (Intellectual property rights – IPR) und der daraus resultierenden Kommerzialisierungsmöglichkeiten als auch der biologischen Sicherheits- und Regulierungsfragen (nicht nur in der Medizin, sondern gerade in der Land- und Lebensmittelwirtschaft) sind Forschungs- und Entwicklungsansätze gentechnisch veränderter Phagen in den verschiedenen Anwendungsbereichen potenziell von besonderer Relevanz und sollen daher systematisch erfasst werden.

 

Gutachten 1: Bakteriophagen in der Medizin – Anwendungsperspektiven, Sicherheits- und Regulierungsfragen

Das Gutachten soll folgende Aspekte abdecken:

  • wichtige Anwendungsziele und Forschungsschwerpunkte
  • Überblick über relevante FuE-Projekte sowie Förderprogramme in Deutschland, auf EU-Ebene und ausgewählte wichtige weltweit
  • spezifische Sicherheitsfragen (Biosafety, Biosecurity) und existierende Vorschläge zum Umgang damit
  • offene Regulierungsfragen (Zulassung, Risiko-Nutzen-Bewertung) und mögliche andere Innovationshemmnisse (wie insbesondere die IPR-Situation) sowie diskutierte Lösungsmöglichkeiten
  • (optional) Ableitung innovationspolitischer Handlungsansätze zur Überwindung bestehender Hemmnisse (spezifische Optionen der FuE-Förderung)

Ein Schwerpunkt sollen die phagenbasierten Strategien zur Bekämpfung multiresistenter Bakterien sein.

Insbesondere in der Humanmedizin üben die gesetzlichen Rahmen- bzw. Zulassungsbedingungen einen großen Einfluss auf die Anwendungs- und Verbreitungsmöglichkeiten von phagenbasierten Arzneimitteln und Therapien aus und müssen daher bei einer Potenzialabschätzung systematisch mitbetrachtet werden. Beispielsweise ermöglichen die große Vielfalt und hohe Spezifität der Phagen zwar potenziell eine zielgenaue Intervention, stehen damit aber wie alle »individualisierten« Therapieansätze in inhärentem Widerspruch zu den üblichen Anforderungen einer standardisierten klinischen Prüfung und Zulassung. Spezifische Sonderregelungen in einzelnen Ländern (wie Belgien) sollen hier mit der Situation in Deutschland verglichen werden.

 

Gutachten 2: Bakteriophagen in der Land- und Lebensmittelwirtschaft – Anwendungsperspektiven, Sicherheits- und Regulierungsfragen

Das Gutachten soll folgende Aspekte abdecken:

  • wichtige Anwendungsziele und Forschungsschwerpunkte
  • Überblick über relevante FuE-Projekte sowie Förderprogramme in Deutschland, auf EU-Ebene und ausgewählte wichtige weltweit
  • spezifische Sicherheitsfragen (Biosafety, Biosecurity) und existierende Vorschläge zum Umgang damit
  • offene Regulierungsfragen (Zulassung, Risiko-Nutzen-Bewertung) und mögliche andere Innovationshemmnisse (wie insbesondere die IPR-Situation) sowie diskutierte Lösungsmöglichkeiten
  • (optional) Ableitung innovationspolitischer Handlungsansätze zur Überwindung bestehender Hemmnisse (spezifische Optionen der FuE-Förderung)

Auch in der Land- und Lebensmittelwirtschaft steht der Einsatz zur Krankheits- bzw. Erregerbekämpfung im Mittelpunkt und soll daher einen Schwerpunkt des Gutachtens bilden.

Gesetzliche Rahmenbedingungen in Deutschland und Europa und deren Relevanz bzw. Anwendbarkeit für die Nutzung von Phagen in der Tierhaltung und in verschiedenen Stufen der Lebensmittel- bzw. Fleischproduktion sowie beim Anbau und Schutz von Nutzpflanzen sollen auch hier in Bezug auf die Abschätzung der Potenziale und Hindernisse für Phagenanwendungen einbezogen werden. Darüber hinaus sollen beispielhaft mögliche länderspezifische Regelauslegungen innerhalb der EU und Regelungen in einzelnen relevanten Ländern außerhalb Europas (z. B. Konkurrenten oder wichtige Exportmärkte) zum Vergleich herangezogen werden.

 

Bearbeitungsaufwand und Termine

Der vergütbare Bearbeitungsaufwand je Gutachten wird mit ca. 4 bis 6 Personenmonaten veranschlagt.

Eine Erweiterung oder Konkretisierung der Untersuchungsaspekte wie auch die Einreichung kombinierter Angebote sind möglich und sollten ggf. zwischen TAB und potenziellen Auftragnehmer/innen im Rahmen der Angebotserstellung abgestimmt werden.

  • Abgabetermin für Angebote ist der 17. Mai 2021.
  • Mit der Bearbeitung der Gutachten soll (voraussichtlich) am 1. Juli 2021 begonnen werden.
  • Ein Auftakttreffen soll voraussichtlich Ende Juli/Anfang August im TAB stattfinden (je nach Pandemiesituation ggf. als Videokonferenz).
  • Eine Zwischenberichterstattung ist bis Mitte/Ende September 2021 vorzusehen.
  • Die Vorlage der Gutachten muss bis zum 15. November 2021 erfolgen.

Gutachtenvergabe und -erstellung zu den genannten Terminen erfolgen vorbehaltlich der rechtzeitigen Zustimmung bzw. Mittelbewilligung durch den Deutschen Bundestag.

 

Hinweise zur Angebotserstellung

Bei der Erarbeitung der Angebote sind die Hinweise für Gutachter/innen zu beachten. Insbesondere muss die Kompetenz der Anbietenden aus den Angeboten hervorgehen und es müssen die beabsichtigte Vorgehensweise und der erforderliche Arbeitsaufwand verdeutlicht werden.

Insbesondere muss die Kompetenz der Anbietenden aus den Angeboten hervorgehen und es müssen die beabsichtigte Vorgehensweise und die für den Arbeitsaufwand kalkulierten Kosten verdeutlicht werden.

Senden Sie uns zunächst eine elektronische Version Ihres Angebots zusammen mit dem ausgefüllten Formblatt (Word-Dokument zum Ausfüllen) oder dem ausgefüllten Online-Formular zu administrativen Angaben zum Gutachtenangebot an unsere E-Mail-Adresse buero∂tab-beim-bundestag.de. Nach unseren Erfahrungen müssen die eingehenden Angebote häufig inhaltlich, formal und kalkulatorisch überarbeitet werden. Sollten wir Ihr Angebot nach Prüfung durch uns in die engere Wahl ziehen und dem Deutschen Bundestag zur Vergabe vorschlagen wollen, werden wir Sie gegebenenfalls um eine entsprechende Modifizierung sowie hernach um die Zusendung eines unterschriebenen Angebots an das TAB bitten. (Neue Schönhauser Straße 10, 10178 Berlin).

 

Weitere Informationen und Downloads

Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB)
Neue Schönhauser Straße 10
10178 Berlin
+49 30 28491-0
buero∂tab-beim-bundestag.de