Generative KI und parlamentarische TA - Wie kann eine verantwortliche Nutzung gestaltet werden?

Steffen Albrecht, Pauline Riousset, Christoph Kehl, Johanna Mehler, Christine Milchram, Bernd Stegmann | 11. Dezember 2025
Für viele von uns war die Einführung von ChatGPT vor drei Jahren ein einschneidendes Erlebnis. Beim ersten Ausprobieren kam ein Gefühl von Bewunderung auf, allerdings dicht gefolgt von Verunsicherung. Was kann generative KI wirklich leisten – und welche Folgen wird das haben? Wie verändert sich die Wissensarbeit? Und was bedeutet das für das TAB als beratende Einrichtung des Parlaments? Oder, um die Formulierung eines früheren TABlog-Beitrags aufzugreifen, in dem ein „Blick in den Kochtopf digitaler Methoden für die TA“ geworfen wurde: Stehen wir vor einer Art „Thermomix“ der TA-Methodenküche, der nicht nur neue Rezepte erfordert, sondern auch die Rolle des Kochs bzw. der Köchin infrage stellt?
Als eine der ersten parlamentarischen TA-Einrichtungen wurde das TAB vom Deutschen Bundestag Anfang 2023 beauftragt, eine Untersuchung zu möglichen Auswirkungen großer Sprachmodelle durchzuführen. Denn Sprachmodelle wurden in Folge der großen Innovationen in der Sprachverarbeitung niedrigschwellig und kostenlos der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht, mit potenziell weitreichenden Folgen. In der TAB-Studie wurden die Grundlagen des technologischen Durchbruchs bei der Sprachverarbeitung dargestellt und die neuen Möglichkeiten sowie die absehbaren Entwicklungen beschrieben. Insbesondere warf der Bericht ein Licht auf eine Reihe von Einsatzmöglichkeiten und Anwendungsperspektiven, z.B. im Bereich Bildung und Forschung. Gleichzeitig wurden die systembedingten Grenzen sowie die möglichen negativen Auswirkungen der neuen generativen KI-Systeme diskutiert.
Schnell wurde klar, dass generative KI nicht nur ein Untersuchungsgegenstand für das TAB bleiben würde, sondern auch unsere eigene Arbeitsweise transformieren könnte. Denn generative KI hat das Potenzial, die Wissensarbeit und insbesondere auch die politikberatende Technikfolgenabschätzung grundlegend zu verändern – im positiven wie im negativen Sinn. Die Technologie bietet Chancen, etwa bei der Beschleunigung von Recherchen. Zugleich bestehen Risiken einer möglichen Einschränkung der Perspektivenvielfalt und einer Abhängigkeit von Technologieanbietern, die kommerzielle Interessen verfolgen und deren Werte nicht unbedingt mit denen einer freien Wissenschaft übereinstimmen.
Unsere Aktivitäten im TAB: Von der Konzeptarbeit bis zur Praxis
Um die Anwendungsmöglichkeiten generativer KI für unsere Arbeit auszuloten und mit der Vorgabe, KI-Anwendungen verantwortungsvoll, sicher und reflektiert einzusetzen, wurde im Frühjahr 2024 die TAB-interne „TAKI“-Arbeitsgruppe gebildet. Diese erprobt seitdem systematisch unterschiedliche KI-Anwendungen und diskutiert und bewertet die dabei gemachten Erfahrungen.
Eine unserer wiederkehrenden Aufgaben besteht darin, das Potenzial generativer KI für unsere Arbeit einzuschätzen. Zum Auftakt unserer Aktivitäten haben wir intern Workshops durchgeführt, um konkrete Anwendungsfälle zu konzipieren und deren Potenziale und Risiken abzuwägen. Zusätzlich haben wir auch andere politikberatende TA-Einrichtungen in Europa und in den USA befragt zu ihren laufenden Vorhaben und Plänen, generative KI einzusetzen, Publikationen zur Rolle digitaler Methoden in der TA verfasst und Veranstaltungen mit anderen TA-Forschenden und Politikberater/innen organisiert. In den letzten Monaten waren wir unter anderem auf folgenden Veranstaltungen vertreten:
- TA24-Konferenz in Wien | Beitrag (Juni 2024)
- NTA11-Konferenz in Berlin (November 2024)
- EPTA Practitioners Meeting in Bern (Oktober 2025)
- GlobalTA-Webinar (Oktober 2025)
- DiTraRe-Symposium | Präsentation, Poster (Dezember 2025)
Informelle Treffen sind ebenfalls Teil des Programms. So haben wir beispielsweise im September 2025 unsere Erkenntnisse aus der Anwendung von KI sowie der Entwicklung von Leitlinien mit Mitgliedern der KI-Arbeitsgruppe der Bundestagsverwaltung diskutiert.
Anwendungsfelder für KI in der TAB-Arbeit
Schnell haben wir festgestellt, dass große Sprachmodelle Potenziale für die Unterstützung unserer Arbeit in fast allen Phasen bieten können.

Besonders vielversprechende Anwendungsfälle für generative KI in der TAB-Arbeit haben wir in Pilotprojekten erprobt und evaluiert. So wurden beispielsweise Themen für die Trendanalyse der Foresight-Untersuchungen mithilfe eines lokalen Sprachmodells aus großen Textmengen (soziale Medien, Zeitschriften, Zeitungen) identifiziert und extrahiert. Weitere Beispiele sind die Entwicklung von spezialisierten Chatbots, die uns gezielt bei den Recherchen für TAB-Studien unterstützen können, sowie die Entwicklung eines Chatbots für die Wissenschaftskommunikation. Um unsere Aktivitäten technisch zu unterstützen, wurde im Februar 2025 unser Team im Bereich Data Science verstärkt.
Raum fürs Experimentieren und Reflektieren
Als TA-Einrichtung legen wir großen Wert darauf, die Anforderungen für eine verantwortungsvolle Nutzung der Technologie herauszuarbeiten, und zwar spezifisch für die parlamentarische TA. Dazu unterstützt uns eine Gruppe von Kolleg/innen am ITAS, die auf die Evaluation von Forschungsprozessen spezialisiert sind, bei der Bewertung und Reflektion unserer Erfahrungen. Auf dieser Grundlage prüfen wir: Wo ist der Einsatz sinnvoll und vertretbar, wo lediglich „nice-to-have“ und wo kontraproduktiv? Denn der Mehrwert variiert stark – je nach Tool, Anwendungskontext und Zeitpunkt (z. B. durch Modell-Updates oder neue Anwendungsfälle). Bei unseren Entscheidungen zur Anwendung von KI-Tools spielen der inhaltliche Mehrwert, Effizienzgewinne, rechtliche Risiken sowie soziale und ökologische Auswirkungen eine zentrale Rolle.
Leitlinien für die Nutzung von generativer KI
Die bisherigen Erfahrungen haben uns gezeigt, dass angesichts der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von generativer KI in unserer Arbeit, aber auch der heterogenen Output-Qualitäten und komplexen Auswirkungen beispielsweise auf Datenschutz und Energieverbrauch klare und spezifische Leitplanken notwendig sind. Daher haben wir bestehende Leitlinien verwandter Organisationen sowie den gesetzlichen Rahmen geprüft und spezifische Leitlinien für die TAB-Arbeit entwickelt. Diese sind gezielt auf die KI-Nutzung im Rahmen der von uns identifizierten Anwendungsfälle ausgerichtet und berücksichtigen die besonderen Anforderungen einer überparteilichen, wissenschaftlichen Politikberatung. In den Leitlinien thematisieren wir die verschiedenen Nutzungsmöglichkeiten generativer KI, betonen die Notwendigkeit von Qualitätssicherung und die Verantwortung der Autor/innen. Darüber hinaus gehen wir auf Fragen des Urheberrechts und des Datenschutzes sowie die Notwendigkeit der transparenten Kennzeichnung und der Berücksichtigung der sozialen und ökologischen Auswirkungen ein. Da sich die Tools stetig weiterentwickeln, werden wir die Leitlinien regelmäßig auf Aktualität und Umsetzbarkeit überprüfen und anpassen.
TABlog als Reflexionsforum für verantwortungsvolle KI-Nutzung
Unsere aktuellen Leitlinien zur verantwortungsvollen KI-Nutzung in der parlamentarischen TA stellen wir in einem der nächsten TABlog-Beiträge ausführlicher vor. Auch auf die Anwendungsfälle und weitere Aspekte des Einsatzes von generativer KI gehen wir in den kommenden Wochen an dieser Stelle ausführlicher ein. Bleiben Sie also dran und teilen Sie diesen Beitrag gerne mit potenziell Interessierten! Wir freuen uns auch auf Feedback und den Austausch von Erfahrungen!
Kontakt: info∂tab-beim-bundestag.de