Die Versorgung der deutschen Wirtschaft mit Roh- und Werkstoffen für Hochtechnologien

Die Versorgung der deutschen Wirtschaft mit Roh- und Werkstoffen für Hochtechnologien – Präzisierung und Weiterentwicklung der deutschen Rohstoffstrategie

  • Projektteam:

    Carsten Gandenberger, Simon Glöser, Frank Marscheider-Weidemann, Katrin Ostertag, Rainer Walz

  • Themenfeld:

    Energie und Umwelt

  • Themeninitiative:

    Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

  • Analyseansatz:

    Innovationsreport

  • Starttermin:

    2010

  • Endtermin:

    2012

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Gegenstand und Ziel der Untersuchung

Die Stabilität der Rohstoffversorgung ist für Deutschland, das bei vielen Rohstoffen auf Importe angewiesen ist, eine wichtige politische Zielsetzung. Strukturelle Veränderungen der globalen Rohstoffmärkte und der starke Anstieg der Rohstoffpreise haben dazu geführt, dass rohstoffpolitische Fragestellungen gegenwärtig intensiv diskutiert werden. Angesichts der zunehmenden globalen Konkurrenz um den Zugang zu Rohstoffen und der hohen Konzentration der Förderung einiger Rohstoffe auf wenige, zum Teil politisch instabile Länder, kann die Stabilität der Versorgung bei einigen Rohstoffen als gefährdet angesehen werden. Ein neuer Aspekt der aktuellen rohstoffpolitischen Diskussion ist die Befürchtung, dass Engpässe bei der Rohstoffversorgung den technologischen Fortschritt gefährden könnten, da die Dynamik des technologischen Wandels zu einer starken Erhöhung der Nachfrage nach einzelnen Rohstoffen führen und die angespannte Situation auf den Rohstoffmärkten weiter verschärfen könnte.

In Deutschland und auf europäischer Ebene hat die Politik mit zahlreichen Initiativen auf die veränderte Situation reagiert. Zu den wichtigsten Initiativen zählen die Rohstoffstrategie der Bundesregierung, das Deutsche Ressourceneffizienzprogramm (ProgRess), die Rohstoffstrategie der EU-Kommission, die Rohstoffstrategie des EU-Parlaments und die parteipolitischen Programme zur Rohstoffpolitik. Über den politischen Raum hinaus gibt die aktuelle Entwicklung auch Institutionen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kirchen und Zivilgesellschaft Anlass, verstärkt zu rohstoffpolitischen Themen Stellung zu beziehen.

Die Rohstoffstrategie der Bundesregierung zielt vorrangig auf den Abbau von Handelshemmnissen, eine stärkere Diversifizierung des Rohstoffbezugs sowie die Förderung von Rohstoffeffizienz, -recycling und -substitution ab. Nichtregierungsorganisationen kritisieren jedoch, dass diese Strategie die sozialen und ökologischen Ziele der Rohstoffpolitik zu wenig berücksichtigt und der Verantwortung Deutschlands gegenüber rohstoffreichen Entwicklungsländern nicht ausreichend gerecht wird. Die Debatte unterstreicht das breite Spektrum an gesellschaftlichen Anforderungen, die an eine moderne Rohstoffpolitik gestellt werden. Vor dem Hintergrund der Vielfalt an Zielen und Herausforderungen, denen eine moderne Rohstoffpolitik gerecht werden muss, will der vorliegende Innovationsreport Ansatzpunkte für die zukünftige Weiterentwicklung der deutschen Rohstoffpolitik aufzeigen.

Ergebnisse

Ursachen für die Kritikalität von Rohstoffen

Der Begriff der Kritikalität nimmt in der aktuellen rohstoffpolitischen Diskussion eine zentrale Rolle ein. Am grundlegenden Ansatz zur Bewertung der Kritikalität hat sich im Vergleich zu früheren Debatten, die etwa nach dem ersten Weltkrieg oder in den 1980er Jahren vor dem Hintergrund des Ost-West-Konflikts geführt wurden, wenig geändert. Damals wie heute wird die Kritikalität an der ökonomischen Bedeutung des Rohstoffs bzw. seiner Anwendungen und dem Risiko einer Störung der Rohstoffversorgung festgemacht. Jedoch lässt sich feststellen, dass die Einflussfaktoren, die gegenwärtig zur Bestimmung der Kritikalität herangezogen werden, zahlreicher und vielfältiger geworden sind. Die wesentlichen Entwicklungen, die dazu geführt haben, dass manche Rohstoffe aktuell als kritisch bezeichnet werden, sind folgende:

  • Rohstoffknappheit: Die globale Nachfrage nach Rohstoffen nimmt zu und hat zu einer verstärkten Konkurrenz um den Zugang zu Rohstoffen geführt. Ein wichtiger Treiber dieser Entwicklung ist das starke Wirtschaftswachstum der Schwellenländer.
  • Konzentration der Rohstoffkontrolle: Die Kontrolle über Rohstoffproduktion und -handel konzentriert sich bei einigen Rohstoffen auf wenige, zum Teil staatliche bzw. staatlich beeinflusste Akteure.
  • Ökonomische Bedeutung: Die hohe ökonomische Bedeutung einer gesicherten Rohstoffversorgung wird, insbesondere bei fehlender Substituierbarkeit in bedeutsamen Anwendungsfeldern (z. B. Zukunftstechnologien), zunehmend anerkannt.
  • Gesellschaftliche Einflüsse: Rohstoffproduktion und -handel werden wesentlich stärker als in der Vergangenheit durch gesamtgesellschaftliche Entwicklungen beeinflusst, wie z. B. die zunehmende Stringenz der Umweltregulierung in den Bergbauländern, die wachsende Beeinflussung der Rohstoffmärkte durch den Kapitalmarkt (Spekulationsgeschäfte) und die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den sozialen Problemen des Rohstoffsektors (z. B. Kinderarbeit, Rolle von Rohstoffen bei der Finanzierung regionaler Konflikte).

Wenn die Einflussfaktoren »Rohstoffknappheit«, »Konzentration der Rohstoffkontrolle« und »ökonomische Bedeutung des Rohstoffs« allesamt hoch ausgeprägt sind, kann dies zu konfliktgeladenen Beziehungen zwischen den Akteuren auf den Rohstoffmärkten führen, wie sie gegenwärtig bei den Seltenen Erden zu beobachten sind. Diese Konflikte können sich wiederum verstärkend auf die Unsicherheit in Bezug auf die zukünftige Rohstoffversorgung auswirken, da unklar ist, wie die Konfliktparteien auf eine mögliche Eskalation des Konflikts reagieren werden.

In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Studien vorgelegt, die sich mit der Messung der Rohstoffkritikalität aus der Perspektive einer Region (Bundesland, Staat, Staatenverbund) auseinandersetzen. Ziel dieser Studien ist es, aus der Vielzahl der benötigten Rohstoffe diejenigen herauszufiltern, die ökonomisch bedeutsam sind und deren Versorgungssituation als unsicher wahrgenommen wird. Die systematische Auswertung von fünf Kritikalitätsstudien (USA, EU, UK, Deutschland, Bayern) hat jedoch gezeigt, dass die Ergebnisse dieser Studien aufgrund der bestehenden methodischen Probleme mit Vorsicht behandelt werden müssen, insbesondere wenn es um die Formulierung langfristiger Strategien geht. Aus der Sicht der wissenschaftlichen Politikberatung erscheint es notwendig, die Kritikalitätsanalyse zu dynamisieren, da Maßnahmen zur Verringerung des Versorgungsrisikos in der Regel einen zeitlichen Vorlauf benötigen (z.B. Entwicklung von Substituten, Aufbau Recyclinginfrastruktur), sodass zukünftige Versorgungsrisiken möglichst frühzeitig erkannt und die Potenziale alternativer Maßnahmen zur Reduktion des Versorgungsrisikos vergleichend abgeschätzt werden können.

Die Versorgungssituation des Hochtechnologiesektors

Des Weiteren wurde der Frage nachgegangen, welche Auswirkungen der seit dem Jahr 2004 auf den Rohstoffmärkten zu verzeichnende Preisanstieg auf die Kostenstruktur des Verarbeitenden Gewerbes im Allgemeinen und der Hochtechnologieunternehmen im Besonderen hatte. Anhand von Analysen, die auf Basis der Input-Output-Tabellen des Statistischen Bundesamtes angestellt wurden, konnte gezeigt werden, dass sich die steigenden Preise für die Vorleistungen des Rohstoffsektors negativ auf den Wertschöpfungsanteil des Verarbeitenden Gewerbes an den eigenen Produkten ausgewirkt haben. Der Anteil der Bruttowertschöpfung am Produktionswert des Verarbeitenden Gewerbes ist zwischen 1995 und 2007 um 6,2 %-Punkte gesunken. Hiervon können 2,4 %-Punkte auf den Anstieg der Vorleistungen des Rohstoffsektors zurückgeführt werden (ohne Energierohstoffe). Dies deutet darauf hin, dass das Verarbeitende Gewerbe nur begrenzt in der Lage war, den Anstieg der Rohstoffpreise an seine Kunden weiterzugeben. Zusammen mit dem Anstieg bei den nicht rohstoffbezogenen Vorleistungen hat diese Entwicklung dazu beigetragen, dass sich die Wertschöpfung des Verarbeitenden Gewerbes wesentlich schwächer entwickelt hat als der Produktionswert.

Die Hochtechnologieunternehmen hatten im Vergleich zur durchschnittlichen Entwicklung im Verarbeitenden Gewerbe im selben Zeitraum einen stärkeren Rückgang ihres Wertschöpfungsanteils an den eigenen Produkten zu verzeichnen (um 8,38 %-Punkte). Dieser Rückgang kann jedoch nur zu einem geringen Teil auf den Anstieg der Vorleistungen des Rohstoffsektors zurückgeführt werden (0,6 %-Punkte). Die Hochtechnologieunternehmen scheinen auf Basis dieser Zahlen im Vergleich zum Durchschnitt des Verarbeitenden Gewerbes weniger stark vom Anstieg der Rohstoffpreise betroffen zu sein. Allerdings könnte der Anstieg der Rohstoffpreise zu höheren Preisen für nicht rohstoffbezogene Vorleistungen geführt haben. In welchem Umfang dies der Fall war, kann jedoch auf Basis der vorliegenden Daten nicht geklärt werden.

Ergänzend zu dieser quantitativen Analyse wurde anhand von zwei Fallstudien exemplarisch untersucht, wie sich das Versorgungsrisiko bei kritischen Rohstoffen aus der Perspektive einzelner Hochtechnologieunternehmen darstellt. Hierbei stand die Entwicklung der Versorgungssituation bei Neodym (eine der Seltenen Erden) und Wolfram im Vordergrund. Bei Neodym wurde die Verwendung in Permanentmagneten betrachtet, die wiederum in technologisch und ökonomisch besonders effizienten Windkraftanlagen eingesetzt werden, bei Wolfram stand der Einsatz in Hartmetallwerkzeugen im Vordergrund. Die vergleichende Betrachtung beider Wertschöpfungsketten zeigt gewisse Parallelen in Bezug auf die Risikowahrnehmung und die betrieblichen Strategien zur Risikoreduktion auf. Unternehmen auf den vorderen Stufen der Wertschöpfungskette nehmen die im Vergleich zu chinesischen Konkurrenten deutlich höheren Rohstoffpreise als Problem wahr, weil hierdurch ihre Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt wird. Die hohe Konzentration der Förderung beider Rohstoffe auf China wird angesichts der restriktiven chinesischen Exportpolitik als problematisch eingestuft; vermutet wird, dass die chinesischen Rohstoffexporte in Zukunft noch weiter eingeschränkt werden. Unternehmen auf den nachgelagerten Stufen der Wertschöpfungskette stehen vor dem Problem, dass auf Seltenen Erden – wie Neodym – basierende Produkte mit erheblich Preis- und Lieferrisiken behaftet sind. Um mit diesen Problemen umzugehen, werden verschiedene Strategien verfolgt: Eines der untersuchten Unternehmen hat ein Joint-Venture mit einem chinesischen Unternehmen gegründet und vermeidet auf diese Weise die hohen chinesischen Exportzölle. Ein anderes Unternehmen verfolgt durch sein Anlagenkonzept eine Strategie der Flexibilisierung, die es ihm ermöglichen soll, die Entscheidung über den Einsatz eines bestimmten Generatortyps – der auf die Verwendung von Neodym angewiesen ist – in seinen Windkraftanlagen so lange offenzuhalten, bis die neu eröffneten Minen außerhalb von China ihre Produktion aufgenommen haben und zu einer Entspannung der Versorgungssituation beitragen können.

Die Versorgung mit Wolfram wird vor allem wegen der Diskriminierung ausländischer gegenüber chinesischen Herstellern als problematisch empfunden. Dies betrifft einige ökonomisch besonders bedeutsame Bereiche; z. B. spielt der Einsatz von wolframbasierten Hartmetallwerkzeugen für die Produktivität des Maschinenbaus und der metallverarbeitenden Industrie insgesamt eine wichtige Rolle. Da China bei der Produktion von Wolfram zwar eine marktbeherrschende Stellung einnimmt, aber kein Monopol besitzt, und zudem das Recycling aus Altprodukten bei Wolfram – anders als bei Neodym – mit einem Anteil von 34 % bereits eine wichtige Rolle für die Rohstoffversorgung spielt, bleibt ein größerer Spielraum für privatwirtschaftliche Strategien zur Reduktion des Versorgungsrisikos, welche allerdings ein hohes Maß an Vorausschau und gute Kenntnisse der Situation an den Rohstoffmärkten voraussetzen.

Auch wenn allgemein erwartet wird, dass sich die allgemeine Versorgungssituation sowohl bei Wolfram als auch bei Neodym durch die Eröffnung von Minen außerhalb Chinas in den nächsten Jahren entspannen wird, dominieren mindestens bis dahin betriebliche Lösungsstrategien. Diese zielen auf eine kurz- bis mittelfristige Reduktion des Versorgungsrisikos durch Kooperationen bzw. Akquisitionen von stärker rückwärtsintegrierten Unternehmen außerhalb Chinas, um auf diese Weise alternative Versorgungskanäle zu erschließen. Im Fokus steht hierbei die Zusammenarbeit mit vertikal integrierten Unternehmen, die die ersten Aufbereitungsstufen durchführen und ihre Rohstoffe entweder aus eigenen Minen, mithilfe langfristiger Lieferverträge oder zukünftig auch noch stärker durch Recycling beziehen.

Handlungsoptionen

Im Vergleich zu anderen Staaten, die ihre Rohstoffversorgung zum Teil über staatlich kontrollierte bzw. staatlich beeinflusste Rohstoffgesellschaften (z. B. China, Japan) oder strategische Bevorratung (z. B. USA, China) absichern, beschränkt sich die deutsche Rohstoffpolitik entsprechend der ordnungspolitischen Grundsätze, die in der Rohstoffstrategie der Bundesregierung formuliert wurden, auf die Gestaltung der Rahmenbedingungen für die Rohstoffversorgung der deutschen Unternehmen. Wie eine weitere Entwicklung und Ausgestaltung in dieser Hinsicht aussehen könnte, sollen die im Folgenden angeführten Aspekte verdeutlichen.

Ziel: Versorgungssicherheit

Den im Auslandsbergbau aktiven Unternehmen wird mit Blick auf die für Deutschland auch zukünftig notwendige Versorgung mit Primärrohstoffen aus dem Ausland von der deutschen Rohstoffpolitik eine wichtige Rolle zugewiesen. Durch die bilateralen Rohstoffpartnerschaften, das geplante Explorationsförderprogramm, die Reform der ungebundenen Finanzkredite (UFK) und das Beratungsangebot der DERA soll der Beitrag des deutschen Auslandsbergbaus zur Erhöhung der Versorgungssicherheit deutscher Unternehmen in Zukunft gestärkt werden. Die Effektivität dieser Steuerungsansätze sollte angesichts der geringen Anzahl deutscher Unternehmen, die derzeit im Auslandsbergbau aktiv sind, und der hohen finanziellen und organisatorischen Barrieren eines Eintritts in den Rohstoffsektor frühzeitig einer Evaluation unterzogen werden. Sinnvoll erscheint eine stärkere Ausrichtung dieser Steuerungsansätze auf die europäischen Bergbauunternehmen – unter Beachtung bestimmter Kriterien (z. B. langfristige Lieferverträge mit deutschen Unternehmen, Einhaltung sozialer und ökologischer Standards).

Die Verbesserung der Rahmenbedingungen für das Recycling ist einer der wenigen regulativen Ansätze, die im Zusammenhang mit dem Ziel der Versorgungssicherheit stehen, da hierdurch die Verfügbarkeit von Sekundärrohstoffen in Deutschland verbessert werden kann. Im Rahmen der Novellierung des KrWG wird die Menge der im Recyclingprozess wiedergewonnenen Sekundärrohstoffe sowie ihre Qualität und Verwendung bisher nur punktuell betrachtet und nicht systematisch durch Quotenvorgaben oder andere Politikansätze adressiert. Im Fall der Novelle der europäischen Elektroaltgeräte-Richtlinie (WEEE-Novelle) ist die Diskussion um die Quoten bereits etwas ausdifferenzierter. Ob die Vorschläge zu stoffspezifischen Recyclingquoten und Zielwerten für die Wiederverwendung umgesetzt werden, wird auch davon abhängen, inwieweit die deutsche Gesetzgebung von der Möglichkeit der Rechtsverordnungen im KrWG Gebrauch macht, um die jeweils beste Verwertungsoption oder auch mehrfach hintereinandergeschaltete Verwertungsstufen vorzuschreiben. In Ergänzung zu diesem regulativen Ansatz zur Erhöhung des Sekundärrohstoffaufkommens wurde die Förderung von Forschungs- und Entwicklungsarbeiten im Bereich des Recyclings ausgebaut, um die technische und ökonomische Effizienz der entsprechenden Verfahren zu steigern und die Voraussetzungen für eine stärkere Technologiediffusion zu schaffen. Der frühzeitige Aufbau von Recyclingstrukturen für Rohstoffe, die bei der Realisierung von Hochtechnologien eine wichtige Rolle spielen, ist eine naheliegende Option für die Weiterentwicklung der Rohstoffpolitik, die in Ansätzen bereits verfolgt wird und in Zukunft verstärkt genutzt werden sollte.

Insbesondere bei Rohstoffen mit niedrigem Produktionsvolumen kann sich die Versorgungssituation innerhalb kurzer Zeitspannen deutlich verändern. Aus diesen Gründen sollte das bestehende Informations- und Beratungsangebot der DERA ausgebaut werden, um eine größere Zahl von Unternehmen zu erreichen. Ziel des Beratungsangebotes sollte es sein, die Unternehmen frühzeitig für Versorgungsrisiken zu sensibilisieren, die z. B. aus der Schließung einer Mine resultieren, und konkrete Ansätze zur Reduktion des Versorgungsrisikos aufzuzeigen. Das Beratungsangebot sollte nicht nur die Unternehmen des Rohstoffsektors ansprechen, sondern auch die nur indirekt von den Rohstoffmärkten abhängigen Unternehmen, z. B. aus dem Hochtechnologiesektor, da diese bei ihren - zum Teil kurz- bis mittelfristig nicht reversiblen - Investitionsentscheidungen auf rohstoffwirtschaftliche Informationen angewiesen sind, aber häufig selbst keine vertieften Kenntnisse über die Funktionsweise der Rohstoffmärkte besitzen. Manche Entwicklungen auf den Rohstoffmärkten können sich in langen Zyklen vollziehen, vor allem bedingt durch die langen Vorlaufzeiten für die Inbetriebnahme neuer Minen. Gerade im Hochtechnologiesektor sind die Innovations- und Produktzyklen aber sehr kurz, sodass eine langfristige Perspektive im Bereich der Rohstoffbeschaffung hiermit nicht ohne Weiteres kompatibel ist und eine entsprechende Sensibilisierung der Unternehmen voraussetzt.

Ziele: Preisstabilität, Markttransparenz und Diskriminierungsfreiheit

Das Ziel der Preisstabilität steht in einem engen Zusammenhang mit dem Ziel der Versorgungssicherheit. Die Vorschläge der EU-Kommission zur Regulierung des Derivatehandels können einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Markttransparenz und der Preisstabilität leisten, da spekulative Einflüsse auf die Preisbildung durch die Erhöhung der Transparenz des Handels mit Rohstoffderivaten leichter zu erkennen sind. Neben Transparenzpflichten für den Derivatehandel werden auch Möglichkeiten für präventive Eingriffe der Aufsichtsbehörden in das Marktgeschehen geschaffen, um Fehlentwicklungen rechtzeitig begegnen zu können.

Die Diskriminierungsfreiheit des Marktzugangs wird auf europäischer Ebene durch verschiedene außenhandelspolitische Ansätze angestrebt, wobei dem Kampf gegen die Verletzung bestehender Handelsabkommen bislang große politische Aufmerksamkeit zukommt. Ein weiterer Ansatz ist die Berücksichtigung des Verbots von Exportbeschränkungen in den Verhandlungen über neue bilaterale und multilaterale Handelsabkommen. Die beiden Fallstudien zu Wolfram und Neodym verdeutlichen, dass die chinesischen Exportbeschränkungen sowohl einen Unsicherheitsfaktor bei der Technologieentwicklung als auch einen Wettbewerbsnachteil gegenüber chinesischen Konkurrenten und etablierten Technologien darstellen können. Die Kontrolle Chinas über den Zugang zu wichtigen Rohstoffen und der politische Wille der chinesischen Regierung, diese Kontrolle für das Erreichen industriepolitischer Ziele einzusetzen, stellt die Unternehmen aus den beiden untersuchten Wertschöpfungsketten vor große Herausforderungen.

Vor diesem Hintergrund können die von der EU-Kommission angestrengten WTO-Streitschlichtungsverfahren gegen China einen Beitrag zur Überwindung der aktuellen Probleme leisten. Die grundlegenden Herausforderungen werden sich allerdings nicht allein auf dieser Ebene lösen lassen, sondern machen eine engere Abstimmung zwischen der EU und China auf dem Gebiet der Rohstoffpolitik erforderlich, um das wechselseitige Verständnis für die jeweiligen rohstoffpolitischen Herausforderungen zu verbessern und Lösungsansätze für die bestehenden Probleme zu entwickeln. Eine engere politische Abstimmung könnte beispielsweise dazu beitragen, dass sich deutsche Unternehmen frühzeitig auf plötzliche Veränderungen der chinesischen Rohstoffpolitik einstellen können (wie z. B. die starke Reduktion der chinesischen Exportquote für Seltene Erden im Jahr 2010). Des Weiteren könnte eine Intensivierung des rohstoffpolitischen Dialogs auch eine Plattform bieten, um Ansätze zur Verbesserung der sozialen und ökologischen Abbaubedingungen in China und auf globaler Ebene zu diskutieren.

Ziel: Verringerung des Rohstoffverbrauchs

Maßnahmen zur Verringerung des Rohstoffverbrauchs werden sowohl von der Rohstoffstrategie der Bundesregierung als auch dem Deutschen Ressourceneffizienzprogramm (ProgRess) vorgeschlagen. Von ProgRess werden zahlreiche »weiche«, indirekte Steuerungsansätze verfolgt, die durch eine Intensivierung von Informations- und Beratungsangeboten eine Erhöhung der Ressourceneffizienz von Produktion und Konsum anstreben.

Für die vergleichsweise hohe Bedeutung weicher politischer Steuerungsansätze, die auf positive Anreize, Information und Vernetzung zurückgreifen, lässt sich zum einen anführen, dass weiter gehende regulative Ansätze (Ausweitung der Ökodesign-Richtlinie) auf erheblichen Widerstand treffen würden, zum anderen liegt noch keine allgemein akzeptierte Methode zur Messung und Bewertung der Ressourceneffizienz von Produkten vor, auf deren Basis verbindliche Zielvorgaben gemacht werden könnten.

Die großen Potenziale zur Steigerung der Ressourceneffizienz im Verarbeitenden Gewerbe und die positiven Erfahrungen im Bereich der Rohstoff- und Materialeffizienzberatung lassen eine weitere Stärkung dieser Ansätze vielversprechend erscheinen. Infolge des starken Anstiegs der Rohstoffpreise sind die betrieblichen Anreize zur Steigerung der Ressourceneffizienz und das Bewusstsein der Unternehmen für die zukünftige Relevanz der Ressourceneffizienz im Wettbewerb aktuell sehr hoch. Auf der Ebene der politischen Steuerung können sich zudem positive Wechselwirkungen zwischen Ansätzen im Bereich der Forschungsförderung, die auf die Entwicklung ressourceneffizienter Technologien ausgerichtet sind, und der Verbesserung der Informations- und Beratungsangebote für Unternehmen ergeben.

Ein weiterer Schwerpunkt sollte auf die Entwicklung konsensfähiger Standards zur Bewertung der Ressourceneffizienz von Produkten gelegt werden, um die methodischen Voraussetzungen für eine bessere Steuerung der Ressourceneffizienz auf betrieblicher und staatlicher Ebene (Regulierung) zu schaffen.

Ziel: verantwortliche, auf Nachhaltigkeit ausgerichtete entwicklungspolitische Zusammenarbeit bei der Rohstoffsicherung

Dass die bestehenden, zum Teil auf einzelne Länder ausgerichteten Ansätze der Entwicklungszusammenarbeit im Kontext der Rohstoffgewinnung und sicherung ausreichen, um die teilweise gravierenden sozialen Probleme und ökologischen Folgen des Bergbaus vor Ort zu überwinden, ist nicht zu erwarten – insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein internationales Rohstoffabkommen, das verbindliche Standards für einen nachhaltigen Umgang mit Rohstoffen definiert, bislang noch nicht realisiert werden konnte. Deutschland verfolgt diesbezüglich das Ziel, im Rahmen seiner Entwicklungszusammenarbeit explizit den Beitrag des Rohstoffsektors zu einer nachhaltigen Entwicklung in den betroffenen Ländern zu fördern. Durch die Entwicklungszusammenarbeit können die Regierungen zudem bei der Verbesserung ihrer Regierungsführung und der Erstellung eines tragfähigen Gesamtkonzepts für die Entwicklung ihres Rohstoffsektors unterstützt werden.

Im entwicklungspolitischen Kontext steht auch der Vorschlag der EU-Kommission, die Unternehmen des Rohstoffsektors auf eine Veröffentlichung ihrer Zahlungen an Regierungen zu verpflichten, um auf diese Weise der Zivilgesellschaft in rohstoffreichen Ländern die Möglichkeit zu geben, die Verwendung dieser Einnahmen besser zu kontrollieren. Neben der Beratung von Regierungen und Behörden in rohstoffreichen Ländern sollte die Entwicklungszusammenarbeit auch die Zivilgesellschaft in den Rohstoffländern stärken. Gerade weil viele Bergbauprojekte negative soziale und ökologische Belastungen für die betroffenen Kommunen und die indigene Bevölkerung mit sich bringen, ist es von hoher Relevanz, die lokale Bevölkerung möglichst frühzeitig einzubinden und geeignete Verfahren zur Begrenzung der Belastungen zu entwickeln. Ein erster Ansatzpunkt könnte hier das in der ILO-Konvention Nr. 169 verankerte Konzept der freien, vorherigen und informierten Zustimmung (»free, prior, informed consent«) sein. Ein weiterer Ansatz ist die Zertifizierung von Rohstoffen, die unter Einhaltung sozialer und ökologischer Mindeststandards produziert wurden.

Ein besonderer Beitrag Deutschlands könnte in der Entwicklung und Unterstützung bei der Implementierung solcher Bergbautechnologien liegen, die an die Bedürfnisse der Entwicklungsländer angepasst sind (z. B. adäquate Kosten-, Verkehrs-, Infra- und Ausbildungsstrukturen). Zwischen einer nationalen Forschungsförderung zur Technologieentwicklung und der gewünschten Relevanz der Technologien in Schwellen- und Entwicklungsländern besteht allerdings ein gewisses Spannungsverhältnis. Eine ausschließliche Technologieförderung ist deshalb nicht ausreichend. Vielmehr muss sie um systemische Ansätze ergänzt werden, die den Anwendungskontext schon in der Technologieentwicklung berücksichtigen und auch die Wissensbasis und Fähigkeiten der Schwellen- und Entwicklungsländer adressieren. Darüber hinaus kann die Einbindung zivilgesellschaftlicher Organisationen den Nutzungsbedingungen im Technologieentwicklungsprozess zusätzlich Gewicht verleihen und so die Akzeptanz der Technologie und die eventuell notwendigen Anpassungen von Institutionen voranbringen. Diese Veränderungen im Kontext erfordern eine beständige Weiterentwicklung der Förderphilosophie und der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit.

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