Ökologischer Landbau und Biomasseproduktion

  • Projektteam:

    Rolf Meyer (Projektleitung), Carmen Priefer

  • Themenfeld:

    Landwirtschaft und Ernährung

  • Themeninitiative:

    Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung

  • Analyseansatz:

    TA-Projekt

  • Starttermin:

    2010

  • Endtermin:

    2012

Die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie strebt sowohl einen Ausbau der ökologischen Landbewirtschaftung als auch als wichtiger Bestandteil beim Ausbau der erneuerbaren Energien insgesamt eine steigende Bioenergieerzeugung an. Ähnlich wie in der allgemeinen »Teller-oder-Tank-Debatte« um die Konkurrenz zwischen Nahrungsmittelproduktion und Biokraftstofferzeugung stellt sich hier die Frage, ob und in welchem Umfang die beiden Nachhaltigkeitsziele gleichzeitig erreicht werden können. Die komplexen Zusammenhänge sind in dem TA-Projekt »Ökologischer Landbau und Biomasseproduktion« untersucht worden.

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Gegenstand und Ziel der Untersuchung

Eine Zielsetzung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung ist, den Anteil des ökologischen Landbaus in den nächsten Jahren auf 20 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche zu steigern (Anteil von 6% im Jahr 2010). Eine Umsetzung dieses Nachhaltigkeitsziels bedeutet, dass in gewissem Umfang zusätzliche landwirtschaftliche Fläche für die Nahrungsmittelproduktion benötigt wird, da die ökologische Nahrungsmittelerzeugung pro erzeugte Einheit einen höheren Flächeneinsatz als die konventionelle Produktion benötigt.

Gleichzeitig sah die Nachhaltigkeitsstrategie vor, den Anteil der erneuerbaren Energien am Primärenergieverbrauch bis zum Jahr 2020 auf 10 % und ihren Anteil am Bruttostromverbrauch auf mindestens 30 % zu erhöhen. Das Energiekonzept der Bundesregierung vom 28. September 2010 formulierte einen deutlich höheren Zielwert von 18 % Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch im Jahr 2020. Biomasse stellt mit einem Anteil von rund zwei Dritteln den wichtigsten erneuerbaren Energieträger dar und wird auch in Zukunft eine zentrale Rolle spielen. Dabei beansprucht der zunehmende landwirtschaftliche Energiepflanzenanbau Flächen, die bisher für die Nahrungsmittelproduktion genutzt wurden bzw. in der Vergangenheit der Flächenstilllegung unterlagen. Daraus ergibt sich die Frage, ob zukünftig eine verstärkte Flächenkonkurrenz die gleichzeitige Erreichung der beiden Nachhaltigkeitsziele gefährden wird.

Das TA-Projekt »Ökologischer Landbau und Biomasseproduktion« wurde auf Anregung des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung vom Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung in Auftrag gegeben und hat untersucht, ob ökologischer Landbau und Biomasseproduktion für energetische Verwendungen künftig stärker miteinander verbunden werden können, um eine steigende Nachfrage für beide Bereiche abzudecken, oder ob die entsprechenden Ziele der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie im Konflikt miteinander stehen und deshalb eine prioritäre Ausrichtung der landwirtschaftlichen Produktion auf eines der beiden Nachhaltigkeitsziele vorgenommen werden muss.

Zentrale Ergebnisse

Bei den beiden Nachhaltigkeitszielen »Ökologischer Landbau« und »Bioenergie« (als Teil der erneuerbaren Energien) sind seit der Verabschiedung der Nachhaltigkeitsstrategie durch die Bundesregierung 2002 deutliche Fortschritte erzielt worden. Die relativen Zuwächse im Bereich des Energiepflanzenanbaus waren allerdings im Vergleich zur ökologisch bewirtschafteten Fläche zwischen 2002 und 2010 deutlich höher. Die derzeitige Lücke gegenüber den gesetzten Zielgrößen ist bei den erneuerbaren Energien bzw. bei der Bioenergie deutlich geringer als beim ökologischen Landbau.

Zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten und Erreichbarkeit der Nachhaltigkeitsziele

Im TAB-Bericht wird analysiert, wie die zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten des ökologischen Landbaus und der Bioenergieerzeugung sowie die zugrunde liegende Politikgestaltung sich auf die Flächennutzung und -konkurrenz sowie auf die Erreichbarkeit der beiden Nachhaltigkeitsziele auswirken. Wichtige Ergebnisse sind:

  • Wenn die bestehende Priorität für die Bioenergie im Rahmen des Nachhaltigkeitsziels »Erneuerbare Energie« beibehalten, die Förderpolitik den Energiepflanzenanbau ökonomisch begünstigt und damit das verfügbare zukünftige Flächenpotenzial weitgehend für den Anbau von Energiepflanzen genutzt wird, dann werden Flächenkonkurrenzen fortbestehen oder sich verschärfen. In der Fortschreibung der bisherigen Politik ist damit ein Zielkonflikt zwischen den beiden Nachhaltigkeitszielen angelegt.
  • Das Nachhaltigkeitsziel eines 20 %igen Anteils des ökologischen Landbaus an der landwirtschaftlichen Nutzfläche im Jahr 2020 kann mit der derzeitigen Förderpolitik nicht erreicht werden, weil die Anreize für eine Umstellung und die bewirkte ökonomische Vorzüglichkeit des ökologischen Landbaus nicht ausreichen. Regionale Flächenkonkurrenzen mit dem Energiepflanzenanbau (insbesondere zur Biogaserzeugung) verschärfen die Situation, sind aber nicht die entscheidende Ursache.
  • Die Erreichung des Nachhaltigkeitsziels »Ökologischer Landbau« erfordert eine entsprechend verbesserte Förderpolitik. Der ökologische Landbau ersetzt die konventionelle Produktion von Lebensmitteln und löst aufgrund der geringeren Flächenproduktivität einen begrenzten zusätzlichen Flächenbedarf aus, der sich in der Größenordnung von 0,8 Mio. ha bei einem Flächenanteil von 20 % bewegt. Zusätzlich ist eine Umgestaltung der Agrarpolitik erforderlich, die höhere umweltpolitische Anforderungen an die Landbewirtschaftung insgesamt bzw. die Bindung von Direktzahlungen an ökologische Leistung beinhaltet. Damit würden ökonomische Hemmnisse bei der Umstellung abgebaut, weil die relative Vorzüglichkeit des ökologischen Landbaus gegenüber der konventionellen Landwirtschaft durch deren höhere Produktionskosten gestärkt würde. Dies wäre gleichzeitig förderlich zu Erreichung weiterer Nachhaltigkeitsziele wie der Senkung des landwirtschaftlichen Stickstoffüberschusses.
  • Bei einer Erreichung des Nachhaltigkeitsziels »Ökologischer Landbau« würden noch Flächenpotenziale für einen moderaten weiteren Ausbau der Energiepflanzennutzung übrig bleiben. Die Herausforderung ist dann, in einer integrierten Gesamtstrategie Ausbauziele und Förderung so zurückhaltend und flexibel zu gestalten, dass keine neuen Konkurrenzen durch Überförderung ausgelöst werden.
  • Bei der Bioenergie ist die Situation sehr komplex, da bei dem übergeordneten Ziel »Erneuerbare Energien« eine Reihe von Alternativen zur Bioenergie zur Verfügung stehen. Zudem gibt es bei der Bioenergie selbst erhebliche Gestaltungsspielräume durch die verschiedenen Produktlinien und durch die Frage »inländische Erzeugung oder Import« von Bioenergieträgern. Dadurch eröffnen sich Chancen, Konkurrenzen und Zielkonflikte abzubauen bzw. zu verhindern, ohne das Ziel bei den erneuerbaren Energien infrage zu stellen.
  • Es bestehen erhebliche, bisher ungenutzte Potenziale bei der energetischen Nutzung landwirtschaftlicher Rest- und Abfallstoffe, insbesondere bei der Nutzung von Wirtschaftsdünger (Gülle) in Biogasanlagen sowie bei der Nutzung von Zwischenfrüchten und Kleegras. Die Erschließung dieser Potenziale würde einen wichtigen Beitrag zur Reduktion von Treibhausgasemissionen leisten und keine zusätzliche Flächenbelegung auslösen, also zur Vermeidung von Zielkonflikten beitragen. Allerdings wären damit höhere Kosten verbunden.
  • Der zukünftige Umfang des inländischen Anbaus für die Biokraftstoffproduktion ist unsicher. Die Entwicklung des inländischen Anbaus wird wesentlich bestimmt durch die Wirtschaftlichkeit gegenüber Biokraftstoffimporten und die Erfüllbarkeit der Anforderungen an die erzielte Treibhausgasminderung. Mit rund 1,2 Mio. ha ist mehr als die Hälfte der derzeitigen Anbaufläche der Energiepflanzen betroffen. Einerseits sind damit erhebliche wirtschaftliche Risiken für deutsche Landwirte und Biokraftstoffhersteller verbunden. Andererseits könnten größere Flächen für andere Energiepflanzen und Nutzungswege frei werden, unter Vermeidung von inländischen Flächenkonkurrenzen. Der Import von Biokraftstoffen beinhaltet zum einen die Chance geringerer Flächeninanspruchnahme und zum anderen das Risiko hoher Klimagasemissionen durch indirekte Landnutzungsänderungen.
  • Neben der Flächenkonkurrenz hat der Energiepflanzenanbau in den letzten Jahren zu einer Intensivierung der Landbewirtschaftung beigetragen, insbesondere durch die Abschaffung der obligatorischen Flächenstilllegung und die Verengung von Fruchtfolgen. Ökologischer Landbau und die bisherige Praxis des Energiepflanzenanbaus in konventionellen Betrieben verfolgen tendenziell gegenläufige Ziele. Politische Rahmensetzungen, die eine umweltverträglichere Gestaltung des Energiepflanzenanbaus bewirken, würden zu einer höheren Konsistenz in der Nachhaltigkeitspolitik beitragen. Zusätzliche ökologische Anforderungen an den Energiepflanzenanbau bedeuten allerdings einen größeren Flächenbedarf und höhere Kosten.
  • Veränderungen bei den Rahmenbedingungen haben erheblichen Einfluss auf die Flächenverfügbarkeit und das zukünftige Auftreten von Flächenkonkurrenzen. Insbesondere ein niedrigerer Konsum von Fleisch und tierischen Lebensmitteln würde relevante Flächenpotenziale freisetzen und gleichzeitig den »Flächenrucksack« der deutschen Landwirtschaft verringern, falls der geringere inländische Konsum nicht durch steigende Exporte tierischer Lebensmittel kompensiert wird. Prinzipiell können ebenso durch verringerte Lebensmittelverluste relevante Flächenfreisetzungen erreicht werden, wobei die erzielbare Reduzierung der Verluste sehr unsicher ist.

Zukünftige Ausrichtung der Nachhaltigkeitspolitik

Die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung ist als ganzheitlicher, integrativer Ansatz angelegt. Trotzdem kann es bei der Ausgestaltung der Nachhaltigkeitspolitik zu Konflikten zwischen verschiedenen Nachhaltigkeitszielen kommen. Nachhaltigkeitspolitik als Querschnittsaufgabe beinhaltet deshalb auch das Abwägen zwischen verschiedenen Zielsetzungen und Entwicklungswegen.

Seit der Verabschiedung der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung 2002 hat es faktisch eine Priorität für den Ausbau der landwirtschaftlichen Bioenergie als Teil des Nachhaltigkeitsziels für erneuerbare Energien gegeben. Die Analysen des TA-Projekts haben gezeigt, dass die Erreichung der beiden hier thematisierten Nachhaltigkeitsziele bis zum Jahr 2020 nicht nur von der Konkurrenz um landwirtschaftliche Flächen bestimmt wird, sondern auch von den jeweiligen politischen Maßnahmen und zusätzlich von einer Reihe von Rahmenbedingungen abhängig ist. Zielkonflikte zwischen den Nachhaltigkeitszielen können, müssen aber nicht auftreten.

Im Sinne einer transparenten und begründeten Politikgestaltung sollte die zukünftige Gewichtung der beiden Nachhaltigkeitsziele explizit vorgenommen werden. Daraus ergeben sich unterschiedliche politische Handlungsschwerpunkte und Konsequenzen für die zukünftige Entwicklung von Flächennutzung und konkurrenz. Drei grundsätzliche Ausrichtungen können identifiziert werden.

Priorität für das Nachhaltigkeitsziel »Bioenergie«

In Fortsetzung der bisherigen Politik würden energie- und klimaschutzpolitische Ziele im Vordergrund stehen. Zentrale Zielsetzungen wären, mit der Ausweitung des Energiepflanzenanbaus einen Beitrag zur Treibhausgasminderung, zur Sicherheit der Energieversorgung und zur Beschäftigung und Wertschöpfung insbesondere im ländlichen Raum zu leisten. Die Verfolgung des Nachhaltigkeitsziels »Ökologischer Landbau« würde dagegen nicht intensiviert. Die zu erwartende sehr langsame Ausweitung der ökologischen Anbaufläche würde für die Frage der Flächenkonkurrenz keine Rolle spielen. Auch für eine Ausweitung anderer Nutzungswege (z. B. stoffliche Nutzung) stünden kaum Flächen zur Verfügung, weil das verfügbare Flächenpotenzial nahezu vollständig für den Anbau von Energiepflanzen genutzt würde. Eine Fortschreibung des Status quo würde somit darauf hinauslaufen, den Zielkonflikt zwischen den Nachhaltigkeitszielen »Ökologischer Landbau« und »Bioenergie« zugunsten der Bioenergie zu lösen.

Priorität für das Nachhaltigkeitsziel »Ökologischer Landbau«

Die konkrete Zielgröße, den Anteil des ökologischen Landbaus bis zum Jahr 2020 (als Konkretisierung für die derzeitige Zielsetzung »in den nächsten Jahren«) auf 20 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche zu steigern, steht stellvertretend für die Absicht, insgesamt eine nachhaltigere Landbewirtschaftung in Deutschland zu erreichen. Ein deutlich forcierter Ausbau der ökologischen Landwirtschaft wäre erforderlich, um das 20 %-Ziel bis zum Jahr 2020 realisieren zu können. Ein wichtiges Element wäre, die relative Vorzüglichkeit des ökologischen Landbaus gegenüber der konventionellen Bewirtschaftung deutlich zu stärken. Ein Flächenanteil von 20 % für den ökologischen Landbau im Jahr 2020 bedeutet, dass ein zusätzlicher Flächenbedarf von etwa 0,8 Mio. ha aufgrund der geringeren Flächenproduktivität des ökologischen Landbaus entsteht. Beim Nachhaltigkeitsziel »Erneuerbare Energien« müsste gleichzeitig die bisherige politische Ausrichtung verändert werden.

Um den Vorrang der Nahrungsmittelproduktion sicherzustellen und Nutzungs- und Flächenkonkurrenzen zu vermeiden, darf die Anbaufläche für Energiepflanzen nur so weit ausgedehnt werden, wie der zusätzliche Flächenbedarf durch ökologischen Landbau und Extensivierung der konventionellen Landwirtschaft dies zulässt. Während das Nachhaltigkeitsziel »Ökologischer Landbau« mit der Vorgabe eines Flächenanteils einen unmittelbaren Flächenbezug hat, stehen für die Nachhaltigkeitsziele bei den regenerativen Energien verschiedene Wege zur Zielerreichung offen. Grundsätzlich wäre es möglich, dass die Ausbauziele für regenerative Energien erreicht werden und es zu keinem Zielkonflikt kommt. Zentrales Risiko dieser Option ist, dass das Nachhaltigkeitsziel für erneuerbare Energien nicht erreicht wird, weil der Verzicht auf einen starken Ausbau des Energiepflanzenanbaus nicht ausreichend durch die Bioenergiegewinnung aus Rest- und Abfallstoffen oder durch andere erneuerbare Energien kompensiert wird.

Integrative Politik zur gleichgewichtigen Verfolgung beider Nachhaltigkeitsziele

Zielsetzung wäre, beide Nachhaltigkeitsziele »Ökologischer Landbau« und »Bioenergie« bis 2020 zu erreichen, also sowohl eine nachhaltigere Landbewirtschaftung als auch einen essenziellen Beitrag zur regenerativen Energieversorgung zu schaffen. Die integrative Verfolgung mehrerer Nachhaltigkeitsziele stellt besonders hohe Anforderungen an eine abgestimmte Politik. Es wären Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine deutlich erhöhte Umstellung auf ökologischen Landbau ermöglichen, im Rahmen einer umweltverträglicheren Landbewirtschaftung auf der gesamten Fläche. Die Ausdehnung des ökologischen Landbaus müsste mit der Förderung der Bioenergieerzeugung bestmöglich in Einklang gebracht und Synergien gezielt genutzt werden. Ein zentrales Element wäre eine verbesserte Integration der Energiepflanzenproduktion in den ökologischen Landbau. Um Flächenkonkurrenzen bei gleichzeitigem Ausbau von ökologischem Landbau und Energiepflanzenanbau zu verhindern, wären darüber hinaus gezielte Politiken notwendig, die zu einem nachhaltigeren Konsum von Nahrungsmitteln führen. Insbesondere eine Verminderung des Fleischkonsums und eine Vermeidung von Lebensmittelverlusten könnten den Flächenbedarf für die Nahrungsmittelproduktion erheblich reduzieren. Die Veränderung von Ernährungsstilen und der Umgang mit Lebensmitteln können allerdings nur zum Teil durch politische Rahmensetzungen beeinflusst werden, hier wäre ggf. ein gesamtgesellschaftlicher Prozess nötig.

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